Wir sahen den Schwalben zu, die über der Mosel hin und herstrichen und Fliegen schnappten. Von Zeit zu Zeit schnitt eine mit einem Flügel ins Wasser, daß es spritzte, und flitzte weiter mit schrillem Pfiff.
Auf einmal sahen wir inmitten der schwarzen Pfeile, die kreuzwegs über den Wasserspiegel schossen, einen, der schneeweiß war. Wenn diese weiße Schwalbe mit der ausgebreiteten Fläche ihres schlanken Körperchens gegen die Sonne stand, leuchtete sie auf, wie ein Flämmchen. Man zeigte sie sich, stieß Rufe der Verwunderung aus und ein Dichter aus Paris ewählte von dem Merle blanc, den es dort im Zoologischen gebe und der durchaus nicht ins Reich der Fabel gehöre.
Ich muß sagen, wenn es nach mir gegangen wäre, so hätte sich diese weiße Schwalbe irgendwo auf einen Turmgockel wie auf einen Thron setzen und die andern hätten sie wie eine Königin behandeln müssen, hätten ihr Futter zugetragen, ihr ein Nest gebaut, ihr einen Prinzgemahl ausgesucht. Von allen Seiten wäre das Schwalbenvolk herbeigeflogen, um diese Einzigeine zu bestaunen und ihr zu huldigen. Vielleicht hälten wir gar eine neue Religion gegründet und der weißen Schwalbe als Gottheit einen Tempel gebaut, wie anderswo einem weißen Elefanten oder einem weißen Stier Tempel gebaut wurden. Ich weiß nicht, ob das der weißen Schwalbe gepaßt hätte, wie ich auch nicht weiß, ob die weißen Elefanten- und Stiergottheiten nicht lieber in Freiheit mit ihresgleichen sich herumgetrieben hätten, statt zwischen Tempelmauern zu Tode gefüttert zu werden. Wir fragen ja im allgemeinen unsere Gottheiten nicht, ob sie auch von uns angebetet werden wollen.
Jedenfalls ist hier eines festzustellen: Daß die weiße Schwalbe gar nicht so tat, als ob sie etwas Besonderes wäre. Sie jagte grade wie ihre schwarzen Schwestern den Fliegen nach, vielleicht wurde sie sogar, wie ein Albino, von ihren Kameradinnen nicht für voll genommen, als eine minderwertige Spielart, ein putziges Kuriosum.
Oder vielleicht haben sich die Schwalben schon zu einer Art Bolschewismus durchentwickelt und lassen keinerlei Vorrang, nichts Besonderes und Seltenes gelten. Alles wird in einen Topf getan, Diamant wird nicht höher geschätzt als Glas, Gold nicht höher als Kupfer, ein Dichter nicht höher als ein Dümmling. Der Dichter muß Kartoffeln schälen wie ein Dümmling und der Dümmling macht Gedichte. Im Reiche der Schwalben, meine ich.
Also hilft der weißen Schwalbe ihre Seltenheit gar nichts. Im Gegenteil. Vielleicht schießt sie eines Tages ein Jäger, um sie ausstopfen zu lassen. Das hat sie dann davon.