In der „Frankfurter Zeitung“ stand dieser Tage zu lesen:
„25 Jahre Städtisches Schwimmbad. Am 2. November sind es 25 Jahre, daß das Städtische Schwimmbad an der Allerheiligenstraße eröffnet wurde. Die Anregung zum Bad gab Freifrau Louise v. Rothschild, die 1891 für diesen Zweck 100 000 Mark stiftete. Im Juni 1892 wurde mit dem Bau begonnen, am 2. November 1896 konnte die Anstalt ihrer Bestimmung übergeben werden. Über die Entwicklung geben folgende Ziffern Aufschluß: 1897 wurde bei einer Besucherzahl von 365 727 Personen und 160 700 Mark Einnahme ein Betriebsüberschuß von 4600 Mark erzielt, im Jahre 1912 stiegen die Besucherzahl auf 880 275, die Einnahmen auf 238 200 Mark, anstatt des Überschusses im ersten Vollbetriebsjahre wurde ein Zuschuß von 33 700 Mark nötig. Für 1920 lauteten die Ziffern: 751 584 Besucher, 800 000 Mark Einnahme und 1 200 000 Mark Zuschuß!“
Hinter Zuschuß steht also ein Ausrufungszeichen. Ist es ein Ausrufungszeichen der Freude, des Lokalstolzes über die Opfer, die die Stadt für die persönliche Sauberkeit ihrer Bewohner bringt, oder ist es ein Ausrufungszeichen der Verblüffung über verschleudertes Geld?
Ich glaube natürlich das Erstere und lasse die zweite Hypothese nur offen für spießbürgerliche Gesinnung, die nicht begreift, daß jedes Himmelreich Gewalt braucht, auch das Himmelreich der persönlichen Reinlichkeit.
Haben Sie bemerkt, daß einer Besucherzahl von 365 727 Personen im zweiten Betriebsjahr eine Einnahme von nur 160 700 Mark entspricht? Also hat die Benützung des Bades im Durchschnitt noch nicht 50 Pfennig auf die Person gekostet. 1920 brachten 751 584 Personen immer nur 800 000 Mark Einnahme. Die Betriebskosten betrugen 2 Millionen Mark, da zu den 800 000 Mark ein Zuschuß von 1 200 000 Mark kommt. Die Einheitsleistung der Anstalt kostete sie im Mittel 2,60 Mark pro Besucher, wofür sie kaum mehr als 1 Mark löste. Der städtische Zuschuß pro Einheitsleistung betrug 1.60 Mark.
Aus der kurzen Statistik ist zu schließen, daß in der Mehrzahl die billigen Bäder, Douchen usw. benutzt wurden, daß als Kundschaft also die breiten, niedrigeren Volksklassen in Betracht kommen und daß wir es mit einem wirklichen Volksbad zu tun haben. In dieser Voraussetzung ist der Zuschuß von 1 200 000 Mark im Jahr kein Opfer, sondern eine werbende Ausgabe. Erzieht dem Volk körperliche Sauberkeit an und Ihr erzieht ihm den Drang nach seelischer Reinlichkeit, nach Klarheit und Wahrheit an.
Und warum soll die Allgemeinheit für körperliche Sauberkeit nicht ebenso gut Opfer bringen, wie z. B. für den Wege- und Straßenbau? Der Staat wendet Millionen auf für Bau und Unterhalt der Straßen, ohne daß die Benutzer dafür individuell bezahlen. Warum schreien die Wasserscheuen über Verschwendung, wenn eine Gesamtheit für eine öffentliche Badeanstalt Geld ausgibt?