Herr Grimberger, Nörgler, scheint mit seinem jüngsten misogynen Brief in ein Wespennest gestochen zu haben. Er schreibt mir, er verschmähe es, auf die aufgeregten - er sagt: hysterischen - Anwürfe im Einzelnen zu antworten und bittet mich, ihm dadurch Genugtuung zu verschaffen, daß ich einige Stellen aus einem Absatz abdrucke, den Thomas Wehrlin kürzlich in der bei Ernst Rowohlk in Berlin erscheinenden Wochenschrift „Das Tagebuch“ veröffentlicht hat. Ich tue es auf die Gefahr hin, ihm und mir alle Frauen des Großherzogtums zu Feindinnen zu machen. Wehrlin schreibt:
„Von allen Novemberträumen der fruchtloseste: Die Einführung des Frauenwahlrechtes für den Reichstag. Das darf man heute, nach zweijährigen Erfahrungen, getrest eingestehen, ja, man muß es sogar, weil es in den nächsten zehn und zwanzig Jahren um zu ernste Dinge in der deutschen Politik geht, als daß wir uns konventionelle Lügen, propagandistische Rücksichten gestatten dürfen.
„Daß die deutschen Frauen der Politik nichts geschenkt haben, weder einen Gedanken noch ein Talent, weiß heute Jedermann. Die Leute im Reichstag wissen es am allerbesten, und wenn die schlimmste Feigheit, nämlich die Feigheit vor der Masse, nicht für neun Zehntel aller Politiker Gesetz wäre, so hätte dieses absolute Debacle des Franenstimmrechts längst herausgesagt und es hätten alle verfassungsrechtlichen Konsequenzen daraus gezogen werden müssen.
„Im Reichstag sitzen ein paar Frauen. Ist eine unter ihnen, die auf eine politische Leistung, auch nur mittlerer Art, hinweisen könnte? In allen grundlegenden Fragen der deutschen Politik, in den Problemen des Einheitsstaates, des Wiederaufbaus, der Reparation, der Steuerreform, von so schwierigen Fragen wie das Sozialisierungsproblem ganz abgesehen, hat keine Frau sich auch nur an der Diskussion nennenswert beteiligt. Wer die Hoffnung hatte, die Frauen würden, als Mütter, wenigstens in Schicksalsstunden, die einigende Kraft zwischen den vom Parteivorteil besessenen Mannspolitikern herzustellen vermögen, der irrte gründlich. Gerade das Gegenteil war richtig: Die Frauen, unfähig zur Produktion einer eigenen Politik, übernahmen gedankenlos die Politik der Männer und zeichneten sich nur dadurch aus, daß sie nicht den staatsmännischen Köpfen, sondern den hysterisch-radikalen Extremisten ihrer Partei nachschrien........
„Die einzige Frau, die sich im Reichstag einen gewissen Ruhin zu holen gewußt hat, war die kreischende Luise Zietz, die Meisterin des hysterischen Zwischenrufs. Sie war von dem Augenblick an, da die U.S.P. nicht mehr ausschließlich verantwortungslose Politik des schrillen Geschreis treiben wollte, zur Schweigsamkeit verurteilt. Ihr Gegenstück ist die ebenso aufgeregte Käthe Schirmacher, trotz ihrem Doktorhut eine Zietz in schwarzweißrot, nur leider mit einem noch geläufigeren Mundwerk versehen. Der letzte Streich dieser besonnenen Dame war der Ausruf, daß Schlesien „Deutschlands Waffenschmiede“ sei, in dem Momente ausgestoßen, da Frankreich Argumente zur Losreißung Schlesiens dringend benötigte. Man wird, wenn von nationaler Frauenpolitik die Rede ist, auf dieses Meisterstück der klugen Käthe immer wieder verweisen müssen. .....
„Es gibt unzweifelhaft einige kluge und besonnene und nicht temperamentlose Frauen im Reichstag, aber ihre Arbeit ist doch nur Männerimitation und durchaus unoriginal und zweiten Ranges. .....
„Die einzige Abgeordnete, nach der man sich umguckt, ist die Frankfurter Toni Sender, aber die ihr geschenkte Aufmerksamkeit verdankt sie ihrer - an den Kolleginnen gemessen - hübschen Larve, auf die ein kommunistischer Abgeordneter einmal mit leisem Stolz hingewiesen hat. Nie hat in all den Kriegsdebatten eine Frau mitreißend aus der Seele der Mütter zu sprechen und zu ergreifen gewußt, nicht ein Gesetz ist aus der Initiative, ja auch nur aus der Rücksicht auf Frauen entsprungen, nicht eine Rede der abgeordneten Frauen hätte nicht ebensogut und besser ein Mann halten können. Ja, nicht einmal die Hoffnung, daß die Anwesenheit der Frauen den Ten der gesetzgebenden Versammlung bessern werde, ist in Erfüllung gegangen. ......
„Es sind Hunderttausende zur Ausübung der höchsten politischen Macht gelangt, ohne daß sie ein Vierteljahr vorher an diese unverhoffte Bereicherung gedacht hatten. Wie diese indifferenten Frauen innerlich bewegen? Doch nur dadurch, daß man die grellste Schlagwortpolitik treibt oder, um hier im angemessenen Marlitt-Stil zu reden, zu den Herzen statt zu den Köpfen redet.“
In diesem Tone geht es weiter. Herr Grimberger, wenn mir die luxemburger Frauen nächstens die Augen auskratzen, sind Sie so gut und bezahlen mir den Schaden.