J. V. Merkels schickt mir aus Chicago, wo er luxemburger Konsulatssekretär ist, seinen neuesten Band luxemburger Gedichte (Blummen aus Amerika).
Wenn einer in Amerika Luxemburger, Dichter, luxemburgischer Dichter bleibt, so ist das alles Mögliche. Eine Kohle, die weit vom Herd weiterzuglühen vermag, hat die Glut tief innen. Und wer in der Busineß-Hochflut Amerikas nicht ganz im Materiellen aufgeht, muß wirklich dichterischen Drang in sich spuren.
Das tut offenbar J. B. Merkels. Er ist der Dichter der Gedanken, die in der Luft hängen, der Rhappode der Aktualität. Kein Ereignis des Tages, das bei ihm nicht die dichterische Äder anregte, leine Persönlichkeit, deren Name aus der Masse vorklingt, die von ihm nicht besungen wäre, keine Helden- und keine Missetat der jüngsten Tage und Wochen, die von ihm nicht dichterisch verklärt oder mit dichterischer Entrüstung verdammt würde. Sein Patrtokismus drängt ihn zuvörderst, der Herrschersamilie den Tribut seines Dichtertalents zu zollen. Seine Muse begrüßt die Großherzogin Charlotte bei ihrer Thronbesteigung und den Kronprinzen Jean bei seinem Eintritt ins Dasein. General Pershing, die luxemburger Legionäre, die amerikanischen Boys, alle finden in ihm den Sänger, der ihre Verdienste ins helle Licht rückt.
Daneben pflegt Merkels auch die heimisch sentimentale Note in der Tonart, die durch Lentz bekannt geworden ist. Aus all diesen Liedern klingt die Sehnsucht nach der alten Heimat, der Merkels unwandelbar zugetan bleibt, wie er immer wieder versichert.
Eines der originellsten Stücke der Sammlung ist die Schilderung einer luxemburger Goldgräbermesse in Kalifornien. Um 1850 herum hatte das Goldfieber auch eine Anzahl Luxemburger hinausgelockt, und es gab da sogar einen eigenen Luxembourg Ravin. Die Old-Timer, die dort Picke und Schaufel schwangen, verspürten eines Tages eine fromme Anwandlung und verschrieben sich einen Pfarrer, der ihnen eine Messe las. Der höchwürdige Herr kam mit allem Zubehör angeritten, ein Tisch wurde als Altar hergerichtet, und in tiefer Andacht wohnten die Goldgräber der heiligen Handlung bei. Kaum aber war der Geistliche abgezogen, so stand auf dem Tisch wieder die Whiskyflasche, und abends zerschossen sich die wackern letzeburger Jongen mit ihren Sixshooters, daß die Fetzen flogen.
J. B. Merkels ist nicht Dichter von heute und gestern. Ich erinnere mich, in einem alten Kalender des Luxemburger Bruderbundes in Amerika sein Bild Rücken an Rücken mit dem des luxemburgischamerikanischen Dichterveteranen N. E. Becker gesehen zu haben. Darunter stand ein Gedicht „Un d’Joffer“, worin Merkels seinem Schatz in allerliebsten Verschen sagt, sie soll nur ruhig mit ihm gehen, sein Lebenspfad sei grade breit genug für zwei.
Auch in der europäischen Literatur hat sich unser dichtende Landsmann umgetan. So finde ich in seiner Sammlung z. B. die „Drei Zigeuner“ von Lenau und „Der tote Soldat“ von Seidl auf amerikanische bezw. belgisch-luxemburgische Verhältnisse umgedachtet wieder. Merkwürdig, wie sich solche in der Kindheit aufgenommene dichterische Eindrücke und Bilder festsetzen.
Ich wünsche unserm rührigen Landsmann, daß seine Lieder, die er in einem originellen Einfall seine Kinder nennt, sich diesseits des großen Wassers soviele Freunde werben, wie sie ihm drüben sicher schon geworben haben.