Original

19. November 1921

„Es ist gut, lieber Roah,“ sagte Gott Vater und klopfte ein wenig aufgebracht seine Stangenpfeife aus. „Schicken Sie mir sofort Herrn Abraham Lincoln!“ befahl er dem Cherubim du Jour.

„Sagen Sie mal, lieber Lincola“ - als dieser vor Gottes Thron erschien - „was fällt denn Ihren Landsleuten drunten ein! Hier mein Freund Noah sagt mir soeben daß Sie mein schönstes Gottesgeschent, die Rebe, in Acht und Bann getan haben. Ich höre erst jetzt davon, ich lese keine Zeitungen. Stimmt das? Stoßen Ihre Yankees wirklich diese köstliche Gabe mit Füßen, die ich für meinen Freund Noah dazumal eigens aus dem Paradiesgarten geholt habe!“

„Halten zu Gnaden, Himmlisch: Hoheit,“ stammelte Abraham Lincoln, „die Kerle haben die Country dry geputtet, ohne mich zu fragen. In meiner Leine wäre es nicht gewesen.“

„Na also, bieten Sie Ihren Einfluß bei den Leuten auf, damit der Skandal aufhört. Wo hat man das je erlebt! Man schenkt diesen Banausen ein Zaubermittel, das sie zu Halbgöttern machen kann, wenn sie es richtig anwenden, und sie tun es scheinheilig in den Giftschrank! Auf Wiedersehen, lieber Lincoln, und tun Sie Ihr Bestes!“

Man kennt den Erfolg. Die Trockenapostel siegten, weil alle Amerikaner, die gern Wein und Kognak tranken, damals in Europa waren.

Und Abraham Lincoln trat vor den lieben Herrgott und gestand sein Fiasko.

„Ich weiß,“ sagte Gott Vater, „ich habe inzwischen auf, den Arizang Kicker abonniert. Also sie wollen das Land trocken haben! Gut, ihr Wille sei mir Befehl!“

Gott Vater ließ den Mann von der WetterSchalttafel kommen und sagte: „Stellen Sie sofort jeglichen Regen ab bis auf weiteres. Lassen Sie nur hie und da grade soviel tröpfeln, wie nötig, damit die Maschine in Gang bleibt. Die Schneeleitung wird ganz ausgeschaltet. Schluß:“

Seither leiden wir unter der hartnäckig anhaltenden Trockenheit. Sie sehen, nur die amerikanischen Mäßigkeitsfanatiker sind schuld daran, wenn unsere Öslinger ihren Bedarf an Wasser kilometerweit die Berge hinauf schleppen müssen, wenn die Kartoffeln mißraten sind, wenn die Forellen in den versiegten Bächen zu Bückingen eintrocknen, wenn der Mosel und dem Rhein alle Hungersteine durch die Haut herauswachsen, wenn der Schnee, der seit Tagen in der Luft hängt, immer nicht herunterkann, wenn die Pantscher nicht mehr wissen, womit sie ihren Wein bis zum doppelten Quantum strecken sollen, wenn die Bierbrauer demnächst aus Mangel an Wasser ihren Betrich einstellen müssen usw. usw.

Lieber Herr Gott Vater, warum strafst Du uns? Wir können hier doch wahrhaftig nichts dafür, daß die Amerikaner Deinen Wein nicht trinken wollen. Wir tun in dieser Beziehung doch wahrhaftig nichts, was Deinen Zorn herausfordern könnte. Also strafe die Yankees mit sieben dürren und mageren Jahren, wenn sie es verdienen. aber laß uns nicht unschuldig leiden! Öffne über uns die Schleusen Deines Himmels, daß tagelang die Schneeflocken wirbeln, laß bis in den April hinein eine kniehohe Schneedecke auf unsern Feldern liegen, laß sie langsam in der Mittagssonne schmelzen, damit die durstige Erde sich lang und tief daran erlaben kann. Wir schwören Dir dafür, lieber Herr Gott Vater, daß wir Deine Gottesgabe Wein niemals verpönen werden!

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KatalognummerBW-AK-009-2018