Original

25. November 1921

Breskau hat außer seinem berühmten Glockengießer seinen nicht minder berühmten Schweidnitzer Keller.

Der Schweidnitzer Keller in Breslau beansprucht ein allgemeines Interesse, weil sein Eingang eines der hübschesten Stückchen Profangetik in Deutschland ist. Die rechts vom Eingang gelegene Wurst-Fabrik von R. Heimann hat mit Gotik nichts zu tun.

Auher diesem allgemeinen Interesse hat der Schweidnitzer Keller dieser Tage ein spezielles Interesse für uns gewonnen durch den Umstand, daß ein Luxemburger auf Reisen dort eingekehrt ist, wie er mir auf einer Ansichtskarte mitteilt, und sich einen aberdatz zugelegt hat, wie ich ergänzend vermute.

Ein noch spezielleres Interesse aber ergibt sich daraus, daß unser Landsmann dort eine Flasche Wellensteiner 1920 aus der Astoria Kellerei von Bernkastel getrunken zu haben scheint. Wenigstens war das Etikett auf die Ansichtskarte geklebt.

Von Welienstein bis Breslau ist es ein hübsches Ende. Die Wellschter werden nicht wenig stolz darauf sein, daß der Name ihrer Ortschaft bis nach Schlesien hinein erklingt, dem Lande des Dreimännerweins. Den Breslauern aber würde der Wellensteiner noch viel besser munden, wenn sie wüßten, aus welch herrlicher Gegend er stammt, wie vom Scheuerberg der Blick in die Runde greift, die grünen Moselberge hinauf und hinab, landein bis zur Römerhöhe von Dalheim, über die Fluren, die zur Römerzeit ein weiter See gewesen sein mogen, nach dem Fuß der Berge über Nennig, wo die Kultur der Römer luxuriose Wohnstätten geschaffen hatte, wo sich im Flußsee die Villen spiegelten, die die hereinbrechende Barbarei später in den Erdboden stampfte. Und dem Beschauer zu Füßen fallen talab die Rebberge, die den Wellensteiner tragen, dem Dorfe entgegen, das in einem krausen Nost von Obstbaumkronen gebettet liegt, stolz mir hellen Häusern leuchlend. Und drüben, auf der Bergschende nach der Saar zu, der Borger Camp, in dessen Nannen es noch römisch kriegerisch nachklingt, der Sinzer Wald, das Wahrzeichen der Gegend bis auf unsere öslinger Höhen hinauf. .........

Man muß an all dies denken können, wenn man in Breslau Wellensteiner trinkt.

Nur schade, daß keine Kreszenz auf der Flasche steht. Astoria kann sich jeder nennen. Seit der alte Jakob Astor aus Walldorf bei Heidelberg in Amerika die Stadt Astoria gegründet hat, ist alles Mögliche nach ihr benannt worden: Hotels, Kaffeehäuser, Zigarren und Zigaretten. Handschuhe, Kragen, Krawatten, Bruchbänder, Wasserspülapparate, Hühneraugenmittel usw. usw. Die Meisten wissen wahrscheinlich nicht, was Astoria heißt. Es klingt nur mundvoll. Man sagt Astoria, wie man Tivoli sagt, oder Vauxhall, Monbijou, Tabarin usw. Asteria, das ist anonym. Wellenstein aber ist Wellenstein. Und wenn jener Landsmann aus Breslau wieder daheim ist, soll er einmal mit nach Wellenstein gehen und sagen, ob der Wellensteiner dort an der Quelle nicht besser ist, als im Schweidnitzer Keller zu Breslau.

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KatalognummerBW-AK-009-2023