Vor mir liegen die Satzungen der St. Andreae Fischerzunft in Remich, aus dem Jahr 1785. Damals war noch der hl. Andreas der Schutzpatron der Männer vom Gail; später hat ihn der hl. Nikolaus ausgestochen. Aber sonst ist alles beim alten geblieben. Jedem Moselfischer lacht das Herz, wenn er liest, wie da vor dem Notarius J. P. Thorn jun. prothocollieret ist worden, daß „keiner sich unterstehen solle, des Montages des Morgens vor der Bettglocken fischen zu fahren“ und daß sich alle Fischer „sowohl auf den Abend des Samstags als alten Feyerabenden mit ihren sammtlichen Garn vor der Bettglocken zuhauß befinden sollen“.
„Zweitens solle sich keiner unterstehen, mit den Gaillen alleinig fischen zu fahren, sondern es solle hiermit statuirt seyn, daß sie sammenterhand in Winter in jeder Woche dreymal mit den großen Gail-Garn, sobald sich nur der sogenannte Grün gegen Peter Ernst Greyweldingers Haus zeigen wird, fahren sollen, und die gemeine Wurf halten.“ Das wäre also, was sie heute mit „ko’pen“ bezeichnen.
„Drittens, daß keiner des Morgens vor der Bettglocken noch des Abends nach der Bettglocken mit einer Koppel ausfahren, noch dem andern zu dem Tage in den stich kommen solle.“
Was nun aber das Folgende bedeutet, darüber wird mir vielleicht mein Freund Brondi Bescheid sagen können. Es heißt nämlich weiter: „Viertens solle es auch keinem erlaubt seyn sowohl im Tag als in der Nacht mit einer Schüppe zu kelchen.“ Was ist Schüppe und was ist kelchen? Hast Du etwa schon mit einer Schüppe gekelcht, Broudi, ohne mir ein Wörtchen davon zu sagen?
„Fünftens, daß allen und jeden verbotten seyn mit dem Eis-Garn zu fischen, solches Eis zu hauen oder zu brechen“ usw. usw.
Die Satzungen bestimmen im Weiteren sehr genau, wie und wann die St. Andreas-Brüder sich der Wurf-Gail bedienen dürfen, daß sie keinen jungen Hecht vom 1. Februar bis 29. September sangen dürfen, daß sich keiner unterstehen soll, auf das Fest St. Andreae zu fischen, sondern „daß sammtliche Amtsgenossen dem Gottesdienst beywohnen müssen“.
Darunter steht dann eine Sammlung altehrwürdiger Namen, deren Träger bis auf den heutigen Tag noch Remich bevölkern, allen voran der Pauli Manes, sicher ein Urgroßonkel von Manesse Jampier, der noch jetzt eine Zierde der Remicher Fischerzunft ist, ein Nicolas Gretsch, ein Urahne der Fischerdynastie Gretsch, ein Fiedeler ein Küffer, ein Aast, ein Goergen, ein Grethen, ein Useldinger usw. Alle stehen da mit ihrem wackeren Hand + Zeichen, denn sie wußten besser mit dem Wurf-Gail als mit der Feder umzugehen. Nur bei zweien zeigen sich Anflüge von Gelehrsamkeit, indem sie nicht mit einem Kreuz, sondern mit den Anfangsbuchstaben ihrer Namen zeichnen: Reinardus Grethen und Dominique Useldinger.
Was nun an diesen Satzungen besonders zum Nachdenken anregt, das ist die Eigenart der Strafbestimmungen. In allen Fällen besteht nämlich die Konventionalstrafe nicht aus Geld, sondern ausschließlich aus Wein. Sie bewegt sich zwischen vier Maaß = acht Liter, und vier Sester = achtzig Liter. Wer mit dem Eis-Garn fischte, tat dies „bey straff einer Hotte Wein (40 Liter) gegen solche Widerhandlung“. Ein junger Hecht bei verbotener Zeit kostete drey Sester Wein = 60 Liter. Die Hechte scheinen damals also seltener gewesen zu sein, als heute. Umgekehrt scheint an Wein kein Mangel bestanden zu haben.
Aber die Kulturgeschichtsforscher zerbrechen sich die Köpfe darüber, was wohl die Mitglieder der Remicher Fischergilde mit dem vielen Wein mögen angefangen haben, der sich im Lauf des Jahres bei ihnen angesammelt haben muß.