Sie erinnern Sich noch des Wetters von gestern? Sturm und Regen, kritischer Tag erster Ordnung. Die Windsbräute heulten um die Giebel, die Regenschauer stürmten gegen die Häuser, es war ein Stöhnen und Rauschen und Prasseln und Klatschen ohne Unterlaß.
Sie werden mich zweifellos für einen Optimisten halten, wenn ich Ihnen sage, daß das für mein Empfinden der erste Frühlingstag war.
Die Scheiben rann es halbsingerdick herunter und versetzte die Außenwelt in ein drollig bewegtes Flimmern, die Äste bogen sich im Wind, die letzten Blätter, die sich noch an die Zweige klammerten, flogen in den Böen davon, klatschnaß klebte alles Kraut flach auf der toten Gartenerde - und ich hatte, wie gesagt, das deutliche Empfinden, dieses sei der erste Frühlingstag.
Denn Sonnenwende war, und wir fliegen der Sonne wieder zu.
Bis jetzt hatten wir ihr den Rücken gekehrt und fühlten, wie sie immer weiter zurücksank. Wir waren in Abschiedstimmung. Sie war dahinten in ihrer heißen Pracht, und wir fühlten uns von ihr weggewandt, von Trübsal und Kälte und Tod angesogen. Wir dachten zurück, versannen uns wehmütig in die Sommer- und Herbsttage, die von uns fortglitten. Es war einmal. Wir saßen elegisch auf dem Häufchen süßer Vergangenheit, das unter uns einschrumpfte, dachten der glühenden Sommer- und Herbstblumen, des roten Mohns und der warmgoldnen Weizenfelder, und der Tage der Rosen. Und alles verblaßte und versank fernab.
Bis die Wendung kam und wir uns der Sonne wieder zukehrten.
Jetzt auf einmal haben sich mit dem Lauf der Erde unsere Gedanken gewendet, wir denken nicht mehr rückwärts an die Sonne, die war, sondern vorwärts an die Sonne, die sein wird. Wir denken an den hellen Frühling und an seine weißen und blauen Blumen. An seine frischkühlen Farben, sein herausforderndes Wehen, sein Aufreizen zu Schaffen und Zeugen. Wir keuchen nicht mehr mühsam und nutzlos den Berg der retrospektiven Sehnsucht hinauf, den wir matt und traurig immer wieder heruntergleiten, wir fliegen unbeschwert, vom Glück getragen, den seligen Sonnengestaden entgegen. Ob wir wachen oder schlafen, traurig oder fröhlich sind, dürften oder trinken, hungern oder schwelgen, immer und unablässig trägt uns die ewige Kraft des Universums dem Frühling entgegen, wie ein feuerbeseeltes Schiff seine Gäste dem heimischen Ufer. Der Winter ist wie der Dämon einer gebrochenen Krankheit, der im Gefühl seiner Ohnmacht noch ein paarmal durch Adern und Nerven rast. Aber jetzt mag kommen, was will, mögen die Ströme zu Eis erstarren, mögen sich die Täler mit Schnee füllen, hinter allem leuchtet der Frühling im Osterschein, wir treiben ihm unaufhaltsam zu, und alle Stürme, die brausen, schwellen unsere Segel.
Stolz ist schön, er lehrt uns, den Herren Ungemach durch Verachtung zu unserm Sklaven machen. Optimismus ist schöner, er macht uns den Sturm zum Frühlingswind und den grauen Januar zur Osterpracht.