Original

7. Januar 1922

Die «Site», die ich hier zunächst zu ihrem suggestiven Namen beglückwünschen will, hat also auf Fastnacht einen historischen Maskenzug und auf den Sommer einen großen Rosensonntag geplant.

Wenn die Bäche am Versiegen sind, freut sich Mensch und Vieh über einen ergiebigen Platzregen. So ein Platzregen wird die Kanalkade und wird der Rosensonntag für unsern dürftigen Fremdenverkehr sein. Man weiß aus Erfahrung, daß an solchen Tagen unsere Mauern kaum die fremden Gäste fassen können und daß sich ein Segensstrom über alle Mitbürger ergießt, die Essen und Trinken gegen Bezahlung abgeben.

Die Aufgabe, die sich die «Site» gestellt hat, ist schön und groß, und ich zweifle keinen Augenblick daran, daß die Herren, die an der Spitze stehen, ihr in jeder Beziehung gewachsen sind.

In der Absicht, ihnen den Boden zu ebnen, möchte ich hiermit in das öffentliche Bewußtsein ein paar Punkte hineinhämmern, die sozusagen die elementaren Ausgangspunkte jeder Inittative zur dauernden Hebung des Fremdenverkehrs sein müssen.

Ich betone „dauernd“.

Wir können natürlich nicht alle paar Sonntage einen Rummel machen. Aber wir können während der Fremdensaison eine regelmäßige und lückenlose Reihenfolge von Veranstaltungen schaffen, die sich programmatisch abwickeln und die Langeweile nicht aufkommen lassen.

Wir haben die dazu nötigen Apparate unter der Hand, wußten sie aber leider bis jetzt nicht auszunützen. In der «Site» ist das Organ gegeben, das in diesem Betracht endlich einmal das Eis brechen muß.

Wir haben zunächst unsern Park. Er ist heute nur da für Hypochonder, Kindermädchen und Exhibitionnisten, zu deutsch Schmutzfinken. Er muß einer der ersten Faktoren, ein Mittelpunkt in unserm Fremdenverkehrswesen werden. Das Publikum, das die Touristenzentren belebt, stellt gewisse Ansprüche, die überall dieselben sind. Einer der ersten ist, die Gelegenheit zu Spielen im Freien, vor allen Dingen zum Tennis. Engländer und Amerikaner bleiben keine 48 Stunden an einem Ort, wo sie nicht Tennis spielen können. In unserm Park sind ein paar Stellen, wo wundervolle Tennisplätze angelegt werden könnten. Attraktion für die Spieler, Attraktion für die Zuschauer.

Ferner: In unserm Park müßte Gelegenheit sein, eine Erfrischung zu genießen. Heute weiß man nicht einmal, wo man sich bei plötzlichem Regenguß unterstellen soll. Wenigstens ein Lokal müßte erstehen, aber nicht mehr in einem versteckten Winkel, sondern dicht am Hauptverkehr. In das Kapitel Park gehört auch die Frage „Drei Eicheln“, ein Ausflugsort, der unbedingt leichter zugänglich gemacht und mit komfortabler Verpflegung versehen werden muß. Durch eine Passerelle am Clausener Viadukt wäre es relativ billig zu machen.

Dem Sport im Freien dient außerdem das neue, mustergültige Velodrom an der Bel’airstraße.

Sport im Freien verlangt als Korollar giebige, leicht zugängliche Badegelegenheiten zum Schwimmen, Douche, Massage usw.

Auch dieses können wir den fremden Gästen in klassiger Aufmachung zur Verfügung stellen. Und bis jetzt noch halb verwaiste Badeanstalt käme e in allen Teilen zu Ehren.

Der Hauptapparat aber ist im Cercle geg Worüber sich die Fremden unisono beklagen, das die todlangweiligen Abende. Sie sind durch die Bank Großstädter und legen den meisten Wert auf Vergnügungen, bei denen ihnen selbst eine Rolle zufällt. Unser großer Cerclesaal ist wie geschaffen für das, was man an fremden Badep Reunions nennt, feinere Konzerte mit nachfolgendem Tanz usw. Die Jugend, die tagsüber zusammen Tennis gespielt und geschwommen hätte, wird abends zusammen tanzen und jeden Morgen die Herren Eltern fußfällig bitten, doch noch nicht abzureisen, weil es zu reizend hier ist. Und in den Nebensälen würden sich die Papas und Onkels sonstigen älteren Semester auf ihre Art vergnügen. Freilich müßte dann der Cercle, wie es von An an beabsichtigt war, bewirtschaftet werden.

So würde sich auf die Dauer ein festes Programm und Zeremoniell für die ganze Saison herausbilden, dem dann durch besondere Feste, wie Rosensonntag, Pferderennen usw. stärkere Lichter aufgesetzt wü. Das Wesentliche bleibt, daß an jedem Tag und jeden Abend stündlich für Unterhaltung gesorgt ist, was die Fremden vertreibt, ist die Langeweile, der Mangel an Gelegenheit zu amüsanter S betätigung.

Die Stücke, die bis jetzt mit rührendem Unverständnis immer nebens Loch gesetzt wurden, sollten die «Site» endlich einmal richtig applizieren.

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  • cultural infrastructure -parc -cercle
KatalognummerBW-AK-010-2059