In der Kammersitzung von Mittwoch zitierte Herr Böwer aus „Fiesko“ die nicht mehr ganz unbekannte Stelle: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“ (Bei Schiller heißt es übrigens Arbeit, nicht Schuldigkeit. Im Lied vom Goldnen Apfelbaum steht Schuldigkeit im Sinn von Zeche: Und frag ich nach der Schuldigkeit, So schüttelt er den Wipfel.)
Am selben Abend sang im Pôle Nord Elwell im stahlblauen Frackanzug das Lied von dem Senegalesen, der aus seiner sonnverbrannten Heimat nach Paris kommt und unter die kleinen süßen Räuberinnen fällt. Der arme Schwarze schleppt sich in der letzten Strophe knickebeinig aufs Schiff und fährt wieder heim zu seinen Senegalmädchen, die nicht, wie die Großstädterinnen, auf Maximum lieben.
Von ihm kann man also sagen: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann nicht mehr gehen.
Ein neuer Beweis für die hier schon wiederholt aufgestellte Behauptung, daß unsere geflügelten Worte und unsere Sprichwörter von heute der Modernisierung bedürfen.
Was heißt es z. B. noch, wenn einer sagt: In der Not frißt der Teufel Fliegen? Wenn dies Sprichwort heute zu prägen wäre, müßte es unbedingt heißen: In der Not frißt der Teufel Kohlrabi. Oder: In der Not raucht der Teufel Kartoffelkraut.
Ein anderes altes Sprichwort ist besonders seit dem Match Dempsey-Carpentier nicht mehr zeitgemäß und benötigt eine Erweiterung: Wie du mir, so ich dir. Um es dem Zeitgeist anzupassen, könnte man sagen: Wie du mir, so möchte ich dir.
Wer sich der Einsamkeit ergibt - hieß es bis jetzt - ach, der ist bald allein. Fragt die kleinen Mächens aus Alt-Luxemburg und Madrid, ob das noch stimmt. Wenn sie sich absondern, wissen sie genau, warum: Wer sich der Einsamkeit ergibt, der ist gar bald zu zwei’n.
Leider hat Julian Weiß dazu schon vor dreißig Jahren die ominöse Ergänzung gedichtet: „Und wem die Zweisamkeit beliebt, der ist oft bald zu drei’n.
In der Zeit des Achtstundentags, den viele auf einen Viertelstundentag zusammenquetschen möchten, sieht es auch aus, als ob das alte Diktum: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen! viel von seiner Bedeutung verlieren dürfte. Weniger arbeiten und mehr essen! ist die Losung. Und Einzelne haben es schon bis zur letzten Konsequenz gebracht. Für diese gilt die Variante: Wer nicht arbeitet, soll umso fleißiger purgieren.
In denselben Zusammenhang gehört es, wenn für die bekannten Verse: Üb’ immer Treu und Redlichkeit - Bis an dein kühles Grab! die andre, modernere Form vorgeschlagen wird: Flieh immer Treu und Redlichkeit - Bis zu einer Villa am Genfer See. (Fortsetzung kann folgen.)