Original

14. Februar 1922

Herr Redakteur! Sie kennen ja die Herren vom Kammerbüro: Seien Sie so gut und unterbreiten ihnen folgenden Vorschlag:

Herr Dr. Welter will die Militärmusik abschaffen, um Geld zu sparen.

Ich schlage ihm vor, er soll vorschlagen, die ganze Kammer abzuschaffen, damit würde noch viel mehr Geld gespart. Abgesehen davon, daß die Kammer viel schlechtere Musik macht, als die Militärkapelle.

Herr Dr. Welter wird wahrscheinlich davon nichts wissen wollen. Er gehört sozusagen zu den Solobläsern der Parlamentskapelle, er hört sich sicher gerne blasen und es täte ihm leid, wenn er sein Horn auf immer ins Etui legen müßte. Genau so ist wahrscheinlich den Militärmusikern zumute, die er absägen will.

Wenn die Kammer abgeschafft würde, bräuchte das Land keineswegs das Labsal der Parlamentsreden zu entbehren. Aber die Sache wäre viel billiger zu machen.

Ich gehe nun schon an die fünfunddreißig Jahre regelmäßig in die Kammersitzungen Nicht, um mich an den Debatten zu erbauen, sondern um mich zu wärmen. Es ist dort immer so mollig geheizt, ich spare einen ganzen Nachmittag Kohlen und ab und zu freue ich mich, wenn sie sich mit Tintenfässern schmeißen.

In meiner langen passiven parlamentarischen Praxis ist mir der Stil eines jeden Redners sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen. Ich wäre recht gut imstand, Ihnen jedes Jahr z. B. sämtliche Büdgetreden im voraus ungefähr genau so zu halten, wie die einzelnen Redner sie später in Wirklichkeit halten. Bei einzelnen garantiere ich den Wortlaut.

Ich würde mich also verpflichten, pro Sitzung sagen wir einmal 30 Artikel auf diese Weise zu erledigen und das Manuskript der betreffenden Reden abends in die Hofbuchdruckerei Bück in Maschinenschrift abzuliefern. Derweil könnten die Herren Abgeordneten zuhaus ihren Beschäftigungen nachgehen, das Land würde die Diäten sparen, und ich würde meinerseits äußerst zivile Preise in Rechnung stellen. Einzelne Reden würde ich gerne gratis liefern.

Also reden Sie mit dem Kammerbüro darüber, Herr Redakteur. Die Herren hätten sicher auch nichts dagegen, wenn diese Reform durchginge. Ich würde an den geeigneten Stellen die fälligen Ordnungsrufe schon von selbst mit einflechten. Und sagen Sie mir Bescheid, wenn die Sache klappt.

Hochachtungsvoll!

Grimmberger, Nörgler.

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KatalognummerBW-AK-010-2090