Original

19. Februar 1922

Sie werden, wie ich, in der „Luxemburger Zeitung“ gestern den Bericht aus Trier über den Millionendiebstahl gelesen haben. Sie werden, wie ich, mit einem Gefühl vaterländischer Beschämung vernommen haben, daß an diesem Diebstahl zwei Luxemburger beteiligt waren. Sie werden, wie ich, beim Weiterlesen darauf gespannt gewesen sein, welche denn von den alten, geachteten, echt luxemburger Namen hier von mißratenen Sprößlingen der öffentlichen Verachtung preisgegeben würden. Und Sie werden, wie ich, laut aufgelacht haben, als Sie lasen, die zwei Trierer Millionenräuber haben Wanze und Keilich geheißen.

Ich habe nicht in dem Verzeichnis der luxemburger Familiennamen von Professor Müller nachgesehen. Trotzdem bin ich bereit, meinen Kopf oder sonst ein edles Organ zu verwetten, daß weder Herr Wanze noch Herr Keilich jemals Luxemburger waren und daß keiner von ihnen einen Tropfen luxemburger Blut in den Adern hat. Ich gehe noch weiter und behaupte, daß die Wiege sowohl des Herrn Wanze wie die des Herrn Keilich irgendwo in Galizien zwischen Krakau und Lemberg gestanden hat.

Wie wäre Ihnen zumut, wenn in Berlin Unter den Linden ein Mann auf Sie zuträte und sagte: «Boschour, mein Numm ass Wanze, esch ssin och Letzeburscher»?

Sie würden es ihm ebensowenig glauben, wie wenn ein anderer sagte: „Sie gestatten, mein Name ist Bisenius, ich bin Stockpreuße.“

Die Herren Wanze und Keilich haben in Trier zwei luxemburger Namen geschändet, die keine luxemburger Namen sind. Aber das weiß niemand in Trier. Da sagen sie nicht ohne eine gewisse Schadenfreude: „Seht Ihr, die Latzeburger, die Schangels! Stehlen wie die Raben und führen sich nachher als Palutaschweine auf!“

Wenn hier im Land einer sich einen luxemburger Namen zulegt, auf den er kein Recht hat, so kriegt ihn die Polizei beim Wickel. Gegen das Schieberund Diebesvolk, das sich auch draußen noch unsere Gemütlichkeit zunutze macht, um nicht das eigne Nest zu beschmutzen, sind wir wehrlos.

Könnte nicht in diesem speziellen Fall die Regierung, um ein Exempel zu statuieren, bei den Trierischen Gerichten erwirken, daß die luxemburger Staatsangehörigkeit der Herren Wanze und Keilich unter die Lupe genommen und es einwandfrei festgestellt würde, ob sie sich zu Recht oder Unrecht als Luxemburger ausgeben bezw. seit wann wir die große Ehre hatten, diese beiden Hoch- und Tiefstapler zu unsern Mitbürgern zu zählen?

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