Sie kennen den alten, aber allerliebsten „Kindermund“: Der Lehrer fragt die Kleinen, wer ihm ein Wesen aus dem Tierreich nennen kann. „Ein Würmchen,“ sagt Max. „Brav. Wer kann mir noch eines nennen?“ Schweigen. Da meldet sich Max wieder: „Noch ein Würmchen.“
An diese Geschichte wurde ich dieser Tage erinnert, als mir der Briefträger ein Schächtelchen brachte, in dem ich sofort den ersten Maikäfer des Jahres vermutete. Jemand wußte, daß man um diese Zeit den ersten Maikäfer an seine Zeitung schickt und er schickte „noch ein Würmchen“. Es war aber nicht ein Maikäfer, sondern es waren drei. Darin lag die Originalität der Sendung.
Die drei Lebewesen, über deren Benennung die verschiedenen Gegenden unseres Landes noch nicht einig sind, lagen vor mir auf dem Rücken und rührten sich nicht. Erst allmählich durchdrang sie die Wärme des Wohnzimmers, sie regten ein Bein nach dem andern und machten vergebliche Versuche, aus der Rückenlage in die Bauchlage zu gelangen. Ich drehte sie herum und freute mich an ihrer Freude. Denn sie lebten, also freuten sie sich.
Im Sinnen darüber, was diese Maikäfer doch für merkwürdige Tiere sind, glaubte ich die Stimme des Herrn Fernand Cahen zu hören, der mir zuflüsterte: Was für Tiere? Musketiere.
Wahrhaftig! Die drei Musketiere! Wenn man drei Dinge, lebende oder tote, nebenejnander steht, denkt man unwillkürlich immer an irgend eine Dreifaltigkeit. Meine drei Maikäfer waren auf einmal die drei Musketiere. Dieser vornehm verhaltene mit den ruhigen, entschlossenen, Kraft atmenden Bewegungen, war zweifellos Athos, der andere, der Leichtfuß und Prahlhans, der schon mit den Flügeln zu schlagen versuchte, war entschieden Porthos, und der dritte, der es faustendick hinter den Ohren hatte, war unbedingt Aramis.
Zu guter Letzt waren sie so weit munter geworden, daß sie meinen wohlgemeinten Mahnungen zum Trotz davonflogen. Die richtigen drei Musketiere, die nach neuen Abenteuern dürsteten. Als ich mittags nachhause kam, lag einer zertreten am Boden, der zweite lag rücklings auf einem Blumentopf und der dritte wurde vermißt.
Der Maikäfer ist mit Recht ein Symbol des Leichtfinns. Sobald er meint, es fange vor Frühling im Boden an zu knistern, ist er gleich bei der Hand, um an die Sonne zu taumeln. Er guckt ins Leben, als ob es ewig Nachmittag wäre, wie ein alter Cattleman in einem amerikanischen CowboyRoman sagt: Eine Zeit, in der man keine Sorgen hat und nur verdaut.
Drum kommen die ersten Maikäfer - die richtigen ersten, nicht die letzten, die nur senile Nachzügler sind - immer um Fastnacht. Und daß sie diesmal zu dreien kommen, hat wiederum eine symbolische Bedeutung, die mit der luxemburger Fastnacht eng zusammenhängt. Auch sie ist auf die Dreizahl gestellt, wie keine andere. Sie beginnt mit der Dreiheit: Sonntag, Montag, Dienstag, und wiederholt diese Dreiheit sozusagen in der Oktave, indem sie sich in drei Sonntagen auslebt: Fastnachtssonntag, Nachfastnachtssonntag, Mittfastensonntag.
Und daher kommt es, daß mancher während der Fastnacht zur Erkenntnis gelangt: Auf zwei Beinen kann man nicht stehen, man müßte eigentlich dreie haben.