Original

2. März 1922

Das „Luxemburger Wort“ verbeißt sich darein, aus einer lustigen Sache „eine ernste Frage“ zu machen.

Die „ernste Frage“ geht immer noch um die Poule de Luxe.

Das „Wort“ zieht da in einem schwerkalibrigen Artikel vom letzten Samstag einen dicken Strich zwischen sich und uns. Auf seiner Seite ist der hohe sittliche Adel, ist Uneigennützigkeit, Verzicht auf Gewinn, Sorge um die moralische Gesundheit des Volkes usw. Auf unserer Seite sind Verderbtheit, Gewissenlosigkeit, Buhlen um die Gunst der Masse, Geldgier usw.

Als sittlich einwandfreien Kronzeugen wirft uns das „Luxemburger Wort“ Herrn Fr. Wilhelm Förster zwischen die Füße, der sich „konsequent jeden Sinnenkitzel versagt“.

Allen Respekt vor Herrn Friedrich Wilhelm Förster. Er erinnert an die Anekdote von dem Bauern, der über sein Gliederreißen fluchte und vom Herrn Pfarrer auf das Beispiel Christi des Herrn hingewiesen wurde, der alles geduldet habe, ohne zu klagen. „Jo, gitt sicht derr mer och nach een eso’!“ sagte der kranke Bauer. Auf so hoher sittlicher Stufe, wie Herr Friedrich Wilhelm Förster und die Redakteure des „Luxemburger Wort“ stehen eben die wenigsten. Ein jeder tut, was er kann, und wer demütig zugibt, daß bei ihm der Geist willig, aber das Fleisch schwach ist, darf sich dabei noch insgeheim freuen, daß nicht umgekehrt das Fleisch willig und der Geist schwach ist, wie bei den andern.

Nachdem die Luxemburger in ihrer erdrückenden Mehrzahl von ihrem sechsten Jahre an in den Prinzipien der Religion erzogen sind, der sie angehören, muß man annehmen, daß wenigstens ein anständiger Durchschnitt von Sittlichkeitsempfinden dabei herauskommt, und daß nicht alle, die über die burlesken Derbheiten der «Poule de Luxe» zu lachen vermögen, sittlich verderbte Menschen sind.

Folgender Satz in dem Artikel des „Luxemburger Wort“ vom letzten Samstag ist eine Perle: „Sollen wir noch hinzufügen müssen, daß wir sehr oft Anzeigen ablehnen, deren Inhalt wir nicht billig@ und dadurch sozusagen tagtäglich den Beweis @ bringen, daß uns das Prinzip über das Gesch@ geht!“

Wie unentwegt das „Wort“ das Prinzip über @ Geschäft stellt, dafür hat es grade in den letz@ Tagen wirklich sozusagen tagtäglich den Bew@ erbracht.

Wir waren in unserm Blatt hier wieder ein@ derart sittlich verkommen, daß wir schamlose Anzeig@ in der Art der folgenden aufnahmen: «Salle Fi@ bach-Weitz, Glacis, lundi, 27 février, Grand @ organisé par l’Union Chorale Rollingergrund» @ oder: «Fanfare Bonneweg, Fastnachtsmontag, Ho@ zur Post, Nar@ensitzung“ - oder: «Fanfare R. G@ du Grund, lundi prochain, 27 ct., dans la salle @ fêtes Weber et Baur, Glacis, Grand Bal paré @ masqué.»

Jeder siktlich normal empfindende Bürger muß @ sagen, daß damit aus purer Gewinnsucht der Un@ lichkeit Vorschub geleistet war. Was kann nicht all@ auf so einem Ball und so einer Narrensitzung @ Schamloses passieren!

Darum ging denn auch das „Luxemburger Wo@ hin, stellte wieder einmal das Prinzip über @ Geschäft - und lehnte entrüstet diese selb@ Anzeigen ab, meinen Sie?

Da kennen Sie das „Wort“ schlecht. Es nahm@ im Gegenteil mit beiden Händen auf, rechnete wa@ scheinlich sogar doppelten Tarif, um die Sünder @ noch zu strafen, aber machte aus dem Ball der Un@ Chorale aus Rollingergrund eine Soirée ca@ valesque, aus dem Grand Bal paré et masqué @ Musik von Stadtgrund eine «Soirée de Gala» @ aus der Narrensitzung der Fanfare von Bonne@ einen „Familienabend“. (Siehe dieselbe Nummer @ „Luxemburger Wort“ vom vorigen Samstag.)

So werden im „Wort“ Anzeigen abgelehnt, um@ beweisen, daß man der Volksmoral zulieb @ Prinzip über das Geschäft stellt.

Jawohl, wenn das Prinzip mehr einbringt, @ das Geschäft, dann stellt man das Prinzip über @ Geschäft.

Warum hat denn das „Wort“ die Anzeige für @ «Poule de Luxe» nicht auch mit verändertem @ gebracht, wie es seinerzeit die Anzeige für @ béguin de la garnison» als «Régime de la garni@ aufgenommen hatte, ein Stück, das an Leichtgesch@ heit die «Poule de Luxe» womöglich noch übertr@ Es wäre ihm ja ein leichtes gewesen, «Pou@ Luxe» zu ersetzen etwa durch „Der Sieg der Un@ über die Bosheit“ oder „Der Sieg des Pr@ über das Geschäft“.

Wenn man so konsequent Tugend mimen w@ das „Luxemburger Wort“, müßte man dafür @ daß man nicht so oft ausrutscht.

TAGS
  • Theater
KatalognummerBW-AK-010-2101