Ich wollte, ich wäre wieder jung.
Nein - es ist nicht, was Sie glauben.
Ich wollte, ich wäre wieder 15, 16 Jahre alt. Nur um in Echternach bei meinem Freund Damy Kratzenberg in die Schule gehen zu können.
Wenn Sie wissen wollen, warum, so lesen Sie seine Vorrede zu der ersten Nummer der „Luxemburger Schülerzeitung“, die soeben im Verlag von J. P. Worré erschienen ist.
Erst wollte ich über Damy Kratzenberg in Lobsprüche ausbrechen. Dann stellte ich mir vor, was er dazu für ein Gesicht machen würde und ließ es bleiben. Es wird seiner Sache viel besser gedient, wenn ich ihn in seiner klugen, warmen, schlichten und wuchtigen Art selber sagen lasse, wie er es meint.
Er zählt erst die Bedenken auf, die gegen eine Schülerzeitung erhoben werden können. Dann fährt er fort: „Diese Bedenken sind ernst zu nehmen, und es sind nicht die Schlechtesten, die sie vorgebracht haben. Trotzdem kann ich mich nicht auf ihre Seite stellen. Ich bin überzeugt, daß, wie jedes ehrliche Streben, so auch dieses seine Früchte tragen wird. Ihr Ziel muß sein, nicht zu glänzen, sondern etwas zu leisten. Sie müssen in selbstloser Hingabe sich ihrem Werk unterordnen.“
Nachdem Damy Kratzenberg dann die Notwendigkeit betont hat, daß „das Verhältnis desjenigen, der schreibt, zu sich selbst, zu Menschen und Dingen direkter werden muß“, als dies in der Schule der Fall ist, fährt er fort:
„Vom Sport, von der Freiluft- und Wandervögelbewegung her hatten manche sich eine Erneuerung versprochen; sie hatten erwartet, daß die Sprache in unseren Schulen zielbewußter, knapper, gesünder, nerviger, ursprünglicher würde. Dem war nicht so.
„Und doch ist es klar: die herkömmlichen Formen tun es heute nicht mehr.
„Gerade heute. Es ist soviel Altes zerschlagen und das Neue ist noch nicht da. Es ist wie in einer chemischen Retorte. Die alten Bindungen sind gelöst, und die Atome irren durcheinander und aneinander vorbei und suchen nach neuen Verwandtschaften. Da bedürfen wir der Sucher, der Strebenden und Wagenden. Da bedarf es eines klaren Blickes, eines feinsten Gefühles für das, was heute noch unsichtbar, unwägbar, ungreifbar und morgen vielleicht schon Wirklichkeit ist. Der Menschen, die sich nicht mir fertigen Urteilen und Redensarten vollstopfen lassen, sondern die selbsttätig, schöpferisch vorgehen, solcher Menschen haben wir nie genug.
„Soll nun eine Zeitschrift wie die vorliegende nicht hier helfen können, wenn auch in bescheidenem Maße? Sie soll der Klärung und Fortenwicklung dienen. Sie ist gedacht als ein Tummelplatz für geistige Kräfte, die sich in der Schule nicht auswirken können, als sein Spiegelbild der Strebungen und Interessen, die in der kommenden Generation sich durchzusetzen suchen, als eine Art Sauerteig, der anregen und befruchten soll.
„Es soll in dieser Zeitschrift nicht der Lehrer ex cathedra reden, sondern, wenn er das Wort ergreift, als Freund und Berater und Mitstrebender. Und wenn er augenblicklich auch die Leitung in Händen hat, dann soll sie möglichst bald überflüssig werden. Möglichst bald, spätestens mit Beginn des neuen Schuljahres, soll eine Vertretung der Schüler unserer mittleren Anstalten selbst das entscheidende Wort in allem, was die Zeitschrift, ihre Zeitschrift angeht, zu sprechen haben.“
In den Schlußworten offenbart sich ganz der innerlich saubere, der mächtig anregende, der durch und durch wahre Mensch, den das Echternacher Gymnastum zu seinen Lehrern zu zählen das Glück hat:
„Ein Wort nur über die geistige Einstellung, wie sie bei den Mitarbeitern vorausgesetzt werden muß. Unerbittlich ausscheiden werden wir alle Beiträge, die nicht durchaus und unbestritten geistiges Eigentum des Einsenders sind. Was er gestaltet, muß ganz und gar aus seinen Beobachtungen, seinen Erlebnissen, seinen Träumen stammen. Also weg mit allen Erzählungen, Abhandlungen, Entwürfen, zu denen Schule und Lehrer die Anregung gegeben haben. Die Zeitung will kein Anhängsel der Schule sein, sie will ihr eigenes Dasein nach eigenen Voraussetzungen und Gesetzen leben. Pfadfinder, Neulandsucher, Zukunftsgestalter wollen wir heranziehen, keine Nachbeter und Nachtreter. Unser Stolz und unsere Bescheidenheit soll nur darin bestehen, daß wir ganz das seien, was wir sind, aber auch nur das. Dann kann, in seiner Art, des Sextaners schlichte Erzählung gleichwertig sein der Arbeit des Primaners, der sich mit Goethe und Nietzsche auseinandersetzt. Fühlen wir uns als Diener am Geiste! Geben wir das Beste, dessen wir fähig sind, aber geben wir es als solche, denen das Werk höher steht als ihr kleines Selbst!“