Die goldene Hochzeit, die heute das Ehepaar Jos. Weydert - Catherine Funck feiert, erinnert die älteren Luxemburger an das Vaterhaus der goldenen Hochzeiterin: das „Café des Trois Balcons“ am Konstitutionsplatz, wo Er Sie kennen gelernt hatte. Der Besitzer war „Foncke Mechel“ einer der populärsten und geachtetsten Luxemburger aus jener Zeit, der Ahne einer ganzen Dynastie regsamer und erfolgreicher Nachfahren. Der Häuserblock, zu dem das Haus mit den drei Balkonen gehört, war der vornehmste der Stadt. Er hieß „den neie Kartjé“ mit dem Tone auf der ersten Silbe. Wir merken, wie alt wir werden, wenn die Jungen nicht mehr wissen, was das ist.
Um das neue Viertel herum taten sich im Laufe der Zeit viele gastliche Häuser auf. Eines der bekanntesten war außer dem Café des Trois Balcons „das Rote Haus“, in dem sich heute eine Paramentenhandlung befindet. Dadurch sticht es gegen seine frühere Bestimmung sehr entschieden ab. Der „Hibert Kleen“ war ein beliebter Wirt, er war sehr kurz angebunden und konnte furchtbar grob werden, was den Bauern damals noch viel mehr Vertrauen einflößte, als Bücklinge und Schmeichelworte.
Dann war die „Millen“. Die Millen spielt in der Kulturgeschite unserer Stadt dieselbe Rolle, wie in der Geschichte von Paris eine Reihe von Lokalen, die durch den Besuch später berühmt gewordener Männer einen Abglanz dieser Berühmtheiten auf sich gesammelt haben. In der Millen wurden seinerzeit die hestigsten politischen, literarischen, philosophischen Mundsehden ausgefochten, die Millen war das Hirn der Stadt, und ein Hirn, in dem es immer dampfte und kochte, in der Millen wurden die besten Witze ausgeheckt und die humorvollsten Streiche durchgesührt. Dort wurde u. a. die beste Satyre auf das Ordensunwesen verübt, als man dem alten Dienst- mann Johannes Huß, einer der berühmtesten komischen Figuren der Stadt, den „Orden des Öffentlichen Zutrauens“ verlieh und ihm ein Diplom dazu ausjertigte mit den imposantesten Siegeln und Unterschriften. Die Glanzzeit der Millen war an der Ecke, wo heute Herr Fabricius seine eleganten Herrenanzüge ausstellt. Dort standen ihre Räder eines Tages für immer still, und mit ihr verschwand auf immer der Typ des Kaffeehauses, das man als intellektuelles Lokal bezeichnen dürfte.
Der Weg, den unser Kaffeehausleben zurückgelegt hat, geht von der Millen über die Kellnerinnenwirtschaft zum Majestic. Jede Stadt hat das Kaffeehaus, das sie verdient. Daß wir immer noch kein Lokal besitzen, in dem der Intellktualismus das große Wort führt, liegt wahrscheinlich daran, daß die Intellektuellen dem Wirt nicht genug aufgehen lassen.
Das Eckhaus in dem die Millen klapperte, ist auch dadurch merkwürdig, daß es lange unserm Rationalkomponisten Zinnen gehörte und daß es eines Tages durch eine schwere Feuersbrunst heimgesucht wurde. Früher hatte genau an derselben Stelle ein Pulvermagazin gestanden. Ein Luxemburger, den sein Scharfsinn berühmt gemacht hatte, kam dazu, während das Haus lichterloh brannte und sagte in einem fort: „Nein, was ein Glück, was ein Glück!“ „Was für ein Glück?“ fragte endlich jemand. „Daß der Pulverturm nicht mehr dasteht! Die ganze Stadt flöge in die Luft!“
Das Dreibalkoncafé ist dahin, die Millen ist dahin, der Pulverturm ist dahin - nächstens errichten sie an derselben Stelle der Gegenwart ein Denkmal. Hoffentlich gilt es für eine lange, lange Zukunft.