Original

18. März 1922

Heute abend also beginnt der große SchaufensterWettbewerb.

Unsere Schaufenster fallen im Allgemeinen den Großstädtern durch ihre Reichhaltigkeit auf. Sie sind meist eine vollständige Inhaltsangabe des ganzen Geschäfts.

„Die Überladung ist immer ein Zeichen des Ver falls,“ sagte gestern abend Herr Sander Pierron.

Wenn dies zutrifft, wäre also unsern Kaufleuten zu raten, daß sie die Masse des Ausgelegten durch Narität und Qualität ersetzen. Aber unsere Kaufleute wissen es besser. Sie wissen, mit welcher Kundschaft sie vorwiegend zu tun haben, und daß auf diese das Goethe Wort paßt: Wer Vieles bringt, wird jedem etwas bringen.

Ich kann dies bestätigen von der Zeit her, wo ich zuerst in die Reihen des kaufenden Publikums eingetreteu war. Ich war ein Hosenmatz, und das Schaufenster der einzigen Epicerie lag in einer Giebelmauer. Es war ein kleines Fenster mit grünen Holzläden. Man sah durch die Scheiben drei Glastöpse, einen mit Lakritzstangen, einen mit braunen Kandiskristallen, einen mit „Zockerknöppelen“. Diese waren ein rundes Gebilde aus einem undefinierbaren Teig, der im Innern ein Hanfsamenkorn barg und außen weiß, rot, gelb, braun, blau angetüncht war. Sobald es dunkel wurde, kam die Besitzerin heraus und schloß die Läden. Oben war in beide ein Herz hineingeschnitten.

Wenn wir uns etwas ganz Ausschweifendes wünschten, so war es unfehlbar, daß wir die Scheiben dieses Schaufensters einschlagen und in jeden Tag einen Griff nach Herzenslust tun dürften. Das Einschlagen der Scheiben war dabei wesentlich. Das hörte man in jüngster Zeit wieder bei den Unruhen aus verschiedenen Orten erlebt.

Der erste und letzte Schaufensterbewerb, den wir bisher in Luxemburg hatten, war 1903 vom 6 November abgehalten worden. Bei jedem Schaufensterwettbewerb ist jeder Bewerber überzeugt, daß sein Fenster das schönste war und daß die Jury, die ihn nicht als Ersten preisgekrönt hat, eine Bande von Simpeln und Spitzbuben ist. Manchmal schreibt er es in die Zeitung, wie damals ein Mitbürger, der mit seiner Auslage nie auch nur annähernd den Bombenerfolg hatte, den ihm seine Zuschrift an die „Luxemburger Zeitung“ eintrug.

Unter den Neuheiten, die bei dem heurigen Bewerb zum Vorschein kommen werden, ist eine, sicher Anklang finden wird. Es ist, wie ich schon jetzt verraten will, eine neue Zigarrenmarke, die Victoria House herausbringt. Sie heißt El Ministerio und trägt auf Kiste und Bändchen das wohlgetroffenen Bildnis Paul Eyschens.

Es ist bezeichnend, daß diesem Staatsmann, der stets der größte und konsequenteste Utilitarier unter allen luxemburger Politikern gewesen ist, zuerst der Handelswelt ein Denkmal setzt.

Hoffentlich wird das andere bald folgen. Wir haben bis jetzt zwei Fürstendenkmäler und eines das zwei Dichterfürsten gelten sollte, das sie als Nebensache, als Warze sozusagen behandelt. Wir sollten wirklich mehr auf Denkmäler geben. Bei Emmanuel Servais steht eine Marmerbüste in einer Ecke irgendwo im Stadthaus, statt auf öffentlichem Platz, den Paul Eyschen haben uns die Kautenba weggeschnappt. Es wäre zu wünschen, daß Monument du Souvenir Schule machte und unsere öffentlichen Plätze bald auch noch einen anderen Schmuck, als offizielle oder offiziöse Pissoirs aufzuweisen hätten.

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KatalognummerBW-AK-010-2115