Dieses ist noch keine Besprechung der Revue Nabuchodonosor (zu deutsch: Nebukadnezar), aber ich schreibe es ihr zu Ehren, zur Feier des Tages. Nicht aus einem Zettelkasten heraus, sondern aus Jugenderinnerungen, die nur noch in großen Umrissen dastehen.
Meine Generation hat den Ruhmestitel, daß sie für Luxemburg das Genre Revue geschaffen hat. Ihr Elternpaar waren Paul Clemen und Lexi Brasseur. Sie müssen sich unter sich darüber einig machen, wer der Vater und wer die Mutter war.
Die luxemburger Revue steht auf den Schultern der Narrensitzungen, die die alte Union Dramatique vor mehreren Jahrzehnten im Louvigny zu veranstalten pflegte. Diese Narrensitzungen waren ein sogenannter Rummel, der aus dem Extrakt von Feuerwehrkongressen, Festivals und Volksversammlungen gemacht war. Paul Clemen war der Verfasser und jedesmal einer der Hauptdarsteller. Nie hat einer so köstlich wie er den Ton des trocknen Humors und den adäquaten Ausdruck für spezifisch luxemburgische Dinge gefunden. Er war es z. B., der auf einer dieser Narrensitzungen für die deutschen Geschäftsreisenden, die damals wie Heuschreckenschwärme Stadt und Land überschwemmten, den Ausdruck gefunden hatte: „E Preiß mat Mustren“. Es war in dem später wieder auftauchenden Lied von der „gudder aler Zeit“.
Dann kam das goldne Zeitalter der Revuen, die Paul Clemen mit Lexi Brasseur zusammen versaßte. Paul Clemen brachte das Bodenständige, den trocknen, überlegenen Witz des alten Stadtluxemburgers mit, der alles Heftige, Gewaltsame, Exzentrische verhohnepimpelt und dessen Humor manchmal die Dickens'sche Träne im Augenwinkel hat.
Lexi Brasseur war der Theatermann, der auf allen großen Bühnen Europas als eifriger Zuschauer das Handwerk gelernt hatte. Er hatte unter andern zwei Teufel auf ik im Leib: Musik und Politik. Mit beiden war er erblich belastet. Zumal die Politik hatte er im Vaterhaus mit der Muttermilch eingesogen. Aber als Kunstlernatur hat er seine Politik nie in der Politik, sondern nur auf der Bühne gemacht. Da aber schwelgte er in der Ausschlachtung aller Vorgänge des Jahres, alle Koryphäen - im guten und schlechten Sinn - von der andern Seite marschierten auf, um in Reim und Prosa, in Rede und Gesang die Zuschauer zu unterhalten. Geschickt gewählte Weisen aus der Musikliteratur aller Zeiten wechselten mit ansprechenden eigenen Kompositionen ab, von denen manche noch heute gern gesungen werden.
Dieses erste Revue-Dichterpaar machte bald Schule, bald hatte nahezu jedes Stadtviertel seine Leibund Magenrevue. Der Krieg brachte die „einschlägige“ Muse zum Schweigen, lieferte aber auch Stoff für spätere Revuen.
Pucki Forman ist sozusagen der erste literarisch gerichtete Luxemburger, der wieder mit einer Jahresschau auf den Plan tritt. Es ist eine KostümRevue, ähnlich wie es seinerzeit die groß angelegte „Melusine“ von Clemen und Brasseur war. Der Hof Nabuchodonofors gibt einen originellen Rahmen für die Geschehnisse unserer inneren Politik aus den Jahren nach dem Krieg.
Daß Pucki Forman mit den Augen eines sanften Satirikers beobachtet und das Beobachtete in kaustische Form zu kleiden weiß, hat er vor Jahren durch seinen im „Floreal“ erschienenen Roman aus Lampeduse bewiesen. Er beweist es neuerdings in dieser Revue. Er sieht das Lächerliche und faßt es einer köstlichen Perle gleich in das blanke Metall seines Witzes. Oder setzt es in den Käfig wie einen Affen und läßt es grinsen und feixen. Er haut zuweilen volkstümlich derb zu, damit auch die weniger Anspruchsvollen auf ihre Kosten kommen, und dann schleift er wieder einen Pfeil so haarscharf und leicht, daß die Wunde nur juckt, ohne zu schmerzen.
Und worauf er wahrscheinlich am meisten stolz sein wird: Er hält das Publikum zum besten, ohne daß die meisten es merken.
Dieses Aphrodisiacum hatte vor ihm noch niemand riskiert.