Original

6. April 1922

Am Zugang zur Neuen Brücke begegnete mir mein Freund Grimmberger, Nörgler. Vielmehr, er stand auf dem Trottoir und ließ mit verbissener Miene den Verkehr an sich vorübergehen.

„Warum so zornig?“ fragte ich ihn.

„Ich könnte aus der Haut fahren, wenn ich so ein Auto an mir vorbeiprotzen sehe.“

„Sie müssen sich daran gewöhnen, Herr Grimmberger. Das Auto ist das Gefährt der Zukunft. Es ist das demokratischste aller Fahrzeuge, viel demokratischer als das Pferd. Im Prinzip: Ich kann mir denken, daß sich ein armer Mann ein Automobil bauen könnte, aber ein Pferd kann er sich nicht bauen, das muß er kaufen.“

„Oder stehlen,“ lächelte er ingrimmig.

„Arme Leute stehlen keine Pferde.“

„Höchstens ein Fünfpfundbrot.“

„Sehen Sie einmal jene Hofequipage, Herr Grimmberger. Finden Sie nicht, daß dies Zweigespann viel protziger aussieht, als das Auto jenes Unternehmers, der an einem Tage nach Wiltz und nach Schengen, nach Redingen und nach Echternach zu seinem Bau fährt und so viermal mehr Arbeiter beschäftigen kann, als wenn er kein Auto hätte? Sehen Sie dagegen diese eingebildeten Rösser, wie sie den Kopf werfen, die Beine schmeißen, tänzeln und schwänzeln. Wo ist da das Demokratische?“

„Das will ich Ihnen sagen,“ entgegnete Grimmberger, sarkastisch lächelnd. „Pferd kann ich mir beim Metzger für 10 Sous kaufen, Automobil nicht!“

Der Undankbare! Dabei hat er während des ganzen Krieges ein Paar Schuhsohlen aus Gummi von einem alten Pneu getragen!

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KatalognummerBW-AK-010-2131