Original

13. April 1922

Der schauerliche Mord von Dürlinsdorf im Elsaß erinnert mich an das erste blutige Drama, das in meiner Kinderphantaste eine Rolle spielte.

Es war kurz vor dem siebziger Krieg, da kamen ins Dorf farbige Bilderbogen mit den naiv gezeichneten und kolorierten Bildnissen eines jungen Mörders, ebenfalls aus dem Elsaß, und seiner acht Opfer. Er hieß Johann Baptist Troppmann und war der Sohn eines Erfinders, der alles Geld vertrank, das ihm seine Patente eintrugen. Im August 1869 hatte Troppmann einen gewissen Jean Kinck, Elsässer, der mit seiner Familie in Roubaix wohnte, nach Wattweiler im Elsaß gelockt, ihn dort mit Blausäure vergiftet und in einer einsamen Schlucht verscharrt. Dann war er nach Paris gereist, hatte dort in einer Septembernacht den ältesten Sohn Kincks, namens Gustav, bei Pantin in einem Ackerstück, das im Prozeß als Champ Langlois berüchtigt wurde, erschlagen und verscharrt. In derselben Nacht holte er Frau Kinck mit fünf Kindern, die er nach Pantin zu einem angeblichen Wiedersehen mit Jean Kinck gelockt hatte, vom Bahnhof ab, führte sie in einer Droschke auf dasselbe Ackerstück Langlois, ermordete und verscharrte sie mit Hilfe zweier Individuen, die nie entdeckt wurden. Kinck Vater hatte seinem Landsmann aus unaufgeklärten Gründen eine Generalvollmacht erteilt, durch die Troppmann gehofft hatte, in den Besitz des Kinck’schen Vermögens zu gelangen.

Der Mörder wurde im Havre von dem damaligen Chef der Sicherheitspolizei Claude festgenommen und erschien am 28. Dezember 1869 vor dem Assisengericht der Seine. Der berühmte Advokat Lachaud hatte die Verteidigung übernommen. Troppmann wurde zum Tode verurteilt. Am Tage, wo er aus der Conciergerie nach dem Roquette-Gefängnis überführt wurde, hinterließ er für den Direktor folgenden Brief:

Monsieur Grosbout, Directeur de la Conciergerie.

Avan de monté aux Acise, je viens vous offrir mais sincer remairciman pour vos aimable complaisan pour moi.

On dit que vous ete un directeur sever mais vous ete juste, compatissan au malheur. Merci don et accepté cette hautograff, la aeule chose que je puisse offrir puisque le monde est et curieux d’en avoir de moi.

Si je suis condamner à mort, j’aurai pas peur si l’empereur me laisse exécuté, je voudrais monté à l’échafau le 21 janvié, le jour de la mort du plus innocen des rois.

Si c’était un effé de votre bonté je voudrai avan de partir qu’on me fit visité le cacho de la raine, cette maireuse épouse de Louis 16.

Je vous salut avec respect.

J.-Bte Troppmann.

Conciergerie, 30 décembre 1869.

Am 19. Januar 1870 wurde Troppmann geköpft. Er war 20 Jahre alt.

Sein Fall wurde lang in der Presse erörtert. Es fehlte sogar nicht an schauerromantischen Kommentaren, die darin einen Zusammenhang mit den politischen Vorgängen der Zeit, mit den Zuständen des zweiten Kaiserreichs, mit dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland und sogar mit dem Ausbruch des siebziger Krieges finden wollten.

Der überhitzten Phantasie dieser Hypothesenjäger genügte es nicht, daß man ihnen sagte, sie hätten es mit einem Entarteten zu tun, wie sie viel häusiger, als die meisten glauben, unter den normalen Bürgern leben, ohne Schaden anzurichten - bis ein besonderer Anstoß die Katastrophe auslöst.

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