Original

20. April 1922

Am Donnerstag, 11. Mai, als am Namenstag des guten alten französischen Königs Dagobert, läßt der Grevenmacherer Winzerverein 30 Fuder seines 21er Wachstums versteigern.

Soviel man aus den Gesprächen des Königs Dagobert mit seinem Leibheiligen, dem großen Sankt Eligius, weiß, war er ein gemütlicher alter Herr, der ganz sicher auch gern einen guten Schoppen trank und davon in die vorzügliche Laune kam, in der er feine bekannten Aussprüche tat. Er hätte zweifellos an dem 21er seine Freude gehabt und sich davon in Grevenmacher ein paar Fuder gesteigert, die er dann später mit seinem heiligen Kumpan zusammen langsam ausgeschlürft hätte.

Und noch eins: König Dagobert lebte zu einer Zeit, wo man den guten Wein nicht „grün verfütterte“, sondern wo man ihn ausreisen ließ, damit man später seine reine Freude daran habe. Damals war der Wein noch nicht eine Angelegenheit des Weinhändlers, sondern des Weintrinkers. Sagen wir beileibe nichts Schlechtes vom Weinhandel. Er ist als notwendiges Organ aus der Zeit gewachsen, und mit ihm ist die zweckmäßige Kellerbehandlung und manches andere Gute gekommen. Aber er wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich mich auf die Seite des Königs Dagobert stelle, dem nicht der Handel, sondern der Wein die Hauptsache gewesen sein dürfte. Daher stammte sonder Zweifel sein guter Charakter. Man weiß, daß er einmal, wahrscheinlich nachdem er schon in der Frühe eins über den Durst getrunken, seine Beinkleider verkehrt angezogen hatte. Der große heilige Eligius sagte entrüstet: „Pfui, Majestät!“, aber der König bemerkte gutmütig, so werde er seine Hosen eben anders herum anziehen!

Das ist wieder ein Beweis dafür, daß König Dagobert seinen Wein nicht als Grächen getrunken hat. Malen Sie sich bitte aus, wie es geworden wäre, wenn er damals auch nur fünf Pöttcher Neuen von 1921 im Leib gehabt hätte: Der große heilige Eligius wäre zweifellos die Treppe hinunter geslogen. Denn mit fünf Pöttcher Neuen im Leib läßt sich kein Mann auf die Hühneraugen treten, geschweige denn ein König.

Schade, wie gesagt, daß König Dagobert nicht nach Grevenmacher auf die Weinversteigerung kommen kann. Aber dafür ist zu hoffen, daß Kammer und Negierung nicht fehlen und daß sie dem Winzerverein von Grevenmacher dieselbe Ehre antun werden, wie im letzten Sommer den Wormeldingern, dem 21er dieselbe Ehre, wie seinem Vorgänger von 1920.

Denn sie gebührt ihm. Man hört schon munkeln, es könne sein, daß der 21er nicht halten wird, was er verspricht, wie es mit allerhand Vorgängern der Fall gewesen sein soll, dem Vierer, dem Elfer usw. Ja, wenn man Prinzen aus Genieland wie Proleten behandelt! Wenn man einer Rose die Knospe aufbricht, ehe sie erblüht, so welkt sie vor der Zeit. Bei Gewächsen, wie diesem, hängt es von der Behandlung ab, ob sie sich zu ihrer ganzen Fülle und Kraft auswachsen können oder ob an ihnen, wie gesagt, der Kindermord von Bethlehem vollzogen wird.

Irgend eine amtliche Stelle, und sollte es die Regierung selber sein, müßte aus den verschiedenen Lagen unserer Mosel je ein Fuder des Letztjährigen einlegen, es lege artis, ohne Rücksicht auf Gewinn oder Verlust, so lange behandeln lassen, bis der Wein unbedingt flaschenreif wäre, und sollte es sechs. und zehn Jahre dauern. Und dann sollten alle Weinsticher und feine Zungen zusammengerufen werden und sagen, was sie von diesem Gottesgeschent halten.

Es ist jedenfalls gut, daß man nach der öffentlichen Versteigerung vom 11. Mai wissen wird, in wessen Hände die verschiedenen Fuder gelangt sind. Denn Sie werden sehen, es kommt noch dahin, daß man die Besitzer darüber zur Rechenschaft ziehen wird, was sie mit diesem Phänomen angesangen haben.

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KatalognummerBW-AK-010-2140