Mit Freuden habe ich aus einer Einladung ersehen, daß die edle Fechtkunst wieder zu Ehren kommt. Vor Jahren, als der treffliche Polver am Athenäum als Turn- und Fechtlehrer wirkte, war es eine Art Adelsbrief, wenn man mit dem Florett in die Schule kam. Florettfechten galt als der Sport par excellence und nie war eine Jünglingsbrust stolzer geschwellt, als wenn sie von der weißen Fechtjacke umspannt war, auf der das rote Herz dem Gegner den Weg zum Lebensquell zeigte.
Allmählich wandte sich das Interesse vom Fechten ab und der „edeln Kunst der Selbstverteidigung“ zu, wie das Boxen im Englischen heißt. Der Boxer hat vor dem Fechter das voraus, daß er seine Waffe stets bei sich trägt. Aber wenn man von einer Kultur des Raufens sprechen darf, steht der Degen himmelhoch über der Faust.
Fechten, Boxen, Schießen - man denkt an die Bestie, die gezähmt wird und in Freiheit herumgehen darf, weil man seinen Scherz an ihr findet. Im Hintergrund lauert immer die wilde Natur, der Ernstfall.
Im Anfang war der Totschlag. Urbild des Totschlags: Schädelzertrümmerung mit Stein oder Baumast. Als die Schußwaffe aufkam, brachte sie in die Technik des Totschlags eine grundlegende Änderung: Man konnte töten, ohne den Feind zu berühren, sogar ohne ihn richtig zu sehen. Und dazu kam die Ausschaltung der persönlichen Kraft. Das Urbild des Schützen ist der kleine David, der den Riesen Goliath erschlug. Motto: Wenn man nicht stark ist, muß man gescheidt sein.
Beim Schießen fehlt der urtümliche Reiz des Kampfes, die körperliche Kontaktnahme mit dem Gegner. Dieser Reiz besteht, aufs brutalste gesteigert, beim Boxen. Aber beim Fechten ist er aufs höchste verfeinert, auf Regeln gebracht. Der Fechter gibt im Ernstfall dem Gegner den Tod nicht in Form einer zerschmetterten Kinnlade und einer eingeschlagenen Schädeldecke. Dem entfliehenden Leben öffnet er einen Weg, dessen Mündung Du kaum siehst. Er schlägt nicht, er züngelt nach dem Feind. Hier kann man richtig fragen: Tod, wo ist Dein Stachel. Wie der Stachel einer Wespe zuckt der unheimlich spitze Stahl. Man stirbt nicht eleganter, als vom Degenstich eines Duellgegners.
Ist es ein Zeichen der Zeit, daß der Boxerhandschuh allmählich vom Florett verdrängt wird? Daß die Brutalität wieder der Eleganz und Feinheit zu weichen beginnt?
Jedenfalls sei dem Fechterabend, der für heute im Pôle Nord angesetzt ist und der die Tenöre der belgischen Fechtsäle aufs Podium bringt, ein voller Erfolg gewünscht.