Fassen Sie das Folgende bitte nicht als einen politischen Erguß auf. Es ist nur feuilletonistischtheoretisch-geschichtlich gemeint.
Unsere Sozialisten sollen sich, hieß es in den letzten Tagen, in Intellektuelle und Manuelle gespalten haben. Das wäre eine reinliche Scheidung, über die nachher ein Wort gesagt werden soll.
Zwischen intellektuell und manuell steht aber in der Sozialistenpartei ein anderes Element, das beides sein will und gar nichts ist. Es sind die Genossen, die in ihrem äußern und innern Gehabe die Allüren des Proletariers mit denen des Gebildeten vereinigen wollen. Das sind die eingebildeten - wenn auch nicht ausgebildeten - Bastarde, die zu den ekelhaftesten Nebenerzeugnissen des politischen Lebens gehören. Das sind die Ritter vom Schlagwort, von der Phrase und vom Klischee, die keinen Satz stilistisch und orthographisch richtig vor sich bringen und jeden Augenblick darauf anspielen, wie sie, die Männer der Arbeit, den Hochgebildeten so erfolgreich über den Mund fahren.
Bis eine Partei sich diese Sorte von Mitläufern herausgeschwitzt hat, dauert es lange.
Doch reden wir von den rassereinen Proletariern und den dito Intellektuellen.
Man begreift, daß eine Arbeiterpartei, der es gut geht, die sich stark fühlt, nicht gerne hört, daß sie ihre Stärke andern verdankt, als eben den Arbeitern, in deren Zusammenhalten ihre Stoßkraft ruht. Viele sehen nicht, woher der Weg kommt und wohin er führen muß, soll er auf der Höhe bleiben. Das Marschieren, nicht das Führen, ist ihnen die Hauptsache. Und so entsteht der Gegensatz manuell gegen intellektuell - nie umgekehrt, natürlich. Die Elemente, die sich als eigentliche Propulsionskraft empfinden, glauben, sie können jetzt alles. Sie vergessen, daß sie Bedeutung haben nur als Bestandteil der Masse, insofern sie eben zur Bildung der Masse beitragen, daß sie aber, aus der Masse losgelöst und auf sich gestellt, völlig unerheblich werden. Hundert Schrotkörner in einem Gefäß bilden zusammen ein Kilo, das die Wagschale niederzieht, ein Schrotkorn allein ist bedeutungslos.
Die Proletarier vergessen zu leicht, daß die Bewegung, die sie emporgetragen hat, das Werk von rein Intellektuellen war, die niemals weder Schaufel noch Spitzhacke, weder Hammer noch Zange gehandhabt hatten. Freilich können sie sagen: Hätte es keinen Marx und keinen Lassalle gegeben, wäre die Bewegung von ihrem Keime aus den Arbeitermassen entwachsen, organisch, natürlich, normal, wir wären heute weiter.
Vielleicht haben sie recht. Eine solche Entwicklung ließe sich in ihrem Ursprung und in ihren Folgen denken, und es ist auch denkbar, daß sie rascher zum Ziel, zu einer Herstellung des sozialen und wirtschaftlichen Ausgleichs geführt hätte, als die Bewegung, die durch die Theoretiker erst langsam in die Massen getragen werden mußte.
Aber wie die Dinge heute liegen, ist die sozialistische Bewegung eine solche, die der intellektuellen Führung nicht entraten kann.
Die Arbeiterschaft könnte sich heute von dieser Führung emanzipieren, wenn sie beschlösse, alles kurz und klein zu schlagen und nach russischem Muster die Herrschaft des Proletariats mit der Faust durchzusetzen.
Aber dann würde sie erst recht wieder von gewissenlosen Führern untergebuttert und um die Früchte ihrer Kraftanstrengung betrogen.
Die Feinde der Intellektuellen in unserer sozialistischen Partei gleichen heute dem Mann, der auf einem Schiffe sitzt und es dadurch vorwärts bringen will, daß er aus Leibeskräften gegen den Mast drückt.
Die Leute, die im Schiff sitzen, bringen es, so kräftig sie drücken und so gut sie es meinen, nicht von der Stelle. Es müssen welche draußen sein, die das Schiff vorwärts ziehen.