Original

3. Juni 1922

Guido Oppenheim lädt zu seiner Gemäldeausstellung ein. (25, Bäderstraße, vom 1.-15. Juni, 10- 2-6 Uhr.)

Der Maler des Ösling, als der Guido Oppenheim definitiv klassiert zu sein schien, hat sein Arbeitsfeld nach dem Herzen des Landes verlegt und versucht der eigenartigen Poesie des Merscher Tales beizukommen.

Denn das Merscher Tal hat eine stimmungspoetische und landschaftlich-malerische Eigenart, die es in keiner andern Gegend unseres Ländchens te Farben, Licht, Luftperspektive, Linie, alles ist daran besonders. Und bis zu welchem Grade Guido Oppenheim in der Erfassung des spezifischen Charakters einer Landschaft vorgedrungen ist, zeigt er sieghaft in dieser Ausstellung. Ein Blick auf eines seiner neuen Bilder, und Du stehst mitten in der Landschaft und mitten in der Stimmung, und um Dich schwingen die vertrauten Namen Walferdingen, Steinf Lorentzweiler, Schwunnendall, Hunsdorf, Prettingen, Lintgen, Gosseldingen, Mersch - Wiesen, Wasser, Waldeshänge, das feine Gefieder der Pappelwiesen gegen den Himmel, der Dunst der Fernen, der farbigen Würfelhaufen der Dörfer, der Spiegel des Flusses, das ganze Tal mit seinen idyllisch idealen Ausmaßen in Breite und Ferne, dies alles, das zusammen unser liebliches Merscher Tal ausmacht hat Guido Oppenheim mit dem Pinsel nachgedichtet.

Gleich Nummer eins, «La rivière», ist eine S thesis dieser Landschaft, die so typisch binnenluxemburgisch ist, wie vielleicht keine andre. Und dazu fesselt Dich ein Stück nach dem andern. Nummer zum Beispiel zeigt die Wiesen bei Hochwasser, ein Anblick, der wiederum für dies Tal charakteristisch ist. Guido Oppenheim hat den Moment herausgegriffen, wo das steigende Wasser in den Wiese sich in malerischem Ausschnitt verteilt, wo es noch nicht so hoch gestiegen ist, daß der störende Begriff der Überschwemmung sich aufdrängte. Einzelne Bilder sind von wunderbarer Zartheit und Abgestimmtheit der Farben, wie z. B. Nr. 13 und die schon erwähnte Nr. 1, andere geben in kräftigen leuchtenden Farben anheimelnde Dorfbilder, von denen es mich wundern sollte, wenn sie über ein paar Wochen nicht die guten Stuben einiger wohlsituierten Produzenten zwischen Beggen und Mersch schmückten.

Wenn Guido Oppenheim jetzt zum Maler des Merscher Tals geworden ist, so ist er seinem geliebten Ösling deshalb doch nicht untreu geworden. Im Gegenteil, er hat vielleicht dort oben nie ein schöneres Bild gemalt, als z. B. Nr. 20, die Weiher oberhalb Clerf, oder Nr. 18, eine Schleuse in der Nähe der Stadt des alten Schlosses und der neuen Abtei.

Die Freunde des Malers werden erstaunt sein über die Kraft, die diesmal viele seiner Bilder at So weich und zart in der Farbenstimmung z. B. Bilder, wie Nr. 1, 24, 20, 13, 21, 22 u. a. m. sind, triumphierend kräftig sind Stücke, wie Nr. 5, 6, 14, und besonders 4, das einen überraschend malerischen Ausschnitt mit der Brücke von Walferdingen und einer schönen alten Weide gibt.

Wer geglaubt hatte, Guido Oppenheim habe sich auf eine Manier festgelegt, ist beim Anblick dieser seiner neuesten Werke angenehm enttäuscht. Für seine Freunde, die an die tiefe Wahrheit und Naturnähe seiner Kunst immer geglaubt haben, ist die Ausstellung eine innige Freude.

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    Katalognummer BW-AK-010-2167