Original

7. Juni 1922

„Ein Fremder, der sich für uns schämt“, schreibt mir anonym:

„Ich habe ein Thema für deine satirische Feder: Treten wir an das Grab von Paul Eyschen! Sieben Jahre tot und schon so vergessen, daß kein Samariter an seinem Grabe stehen bleibt und die Nesseln ausreißt, die dort wuchern. Früher hatte ein Dichter ihn mit dem getreuen Eckehardt verglichen, und dieses war in Marmor eingemeißelt worden. Die Platte verschwand über Nacht. Heine hat seit 50 Jahren seine treu gepflegte Trauerweide auf seinem Grabe bei einem fremden Volke, auf Eyschens Grab in Luxemburg stehen Unkraut. verdorrtes Epheu und eine geborstene Blumenvase. Ist das die Pietät der Luxemburger? Wo sind die zahlreichen Kreaturen dieses so oft um Hilfe angegangenen Mannes? Ist keiner der heute dicken Assiette-au-beurristen, die als kleine Advokätchen in seine Weste weinten, so barmherzig und setzt eine Handvoll Immortellen in die Blumenvase? Diese Blumen brauchen kein Wasser.“

Das klingt bitter. Und einzelnes von dem Bittersten habe ich noch gestrichen, weil es zu persönlich war und zumteil auch daneben traf. Aber was stehen blieb, genügt. Und das Schlimmste: es ist wahr.

Aber es trifft nicht nur auf Paul Eyschen zu. Nachdem wir einige fürstliche Persönlichkeiten aus unserer Landesgeschichte in Bronze verewigt haben, an denen das Volk sich kein Beispiel zu nehmen hat - und die Denkmäler stehen da für das Volk - wäre es nicht zu früh. daß wir endlich daran dächten, den großen Patrioten, deren Namen über die Masse ragten, die Denksteine zu errichten, die zu ihren Nachfahren reden könnten, und dafür zu sorgen, daß ihr Vorbild nicht der Vergessenheit anheimfällt. Emmanuel Servais und Paul Eyschen z. B. hätten es verdient, daß das Land ihr Andenken verewigte, nicht nur auf einem Friedhof, sondern mitten im lebendigen Leben, als Zeichen dessen, daß ihr Geist über uns bleiben muß, wenn wir wir selbst bleiben wollen.

TAGS
  • Eyschen
  • public ceremony
KatalognummerBW-AK-010-2169