Original

11. Juni 1922

Über den belgischen Preßkongreß wird wahrscheinlich noch längere Zeit epilogisiert werden.

Das schadet nichts, wenn die Artikelschreiber Bescheid wissen. Aber sie wissen leider nicht immer Bescheid.

Mißverständnisse haben schon jetzt in der Presse zu Betrachtungen geführt, die eine Richtigstellung herausfordern.

Einer beklagt sich darüber, daß nicht das ganze gesamte Häuflein der luxemburger Presse „herangezogen wurde“.

Bei Preßkongressen ist es gewöhnlich so, daß die Fremden von der heimischen Journalistenorganisation empfangen und die Veranstaltungen von dieser in die Hand genommen werden.

„Herangezogen“ werden in solchen Fällen nur die gewählten Vertreter der Genossenschaft, meist sogar von jeder nur ein Mann. Wir haben es hier zu einer Organisierung der Journalisten noch nicht gebracht. Zwei von uns sind Mitglieder der Association générale de la Presse Belge. Diese wurden von der Stadtverwaltung, in Ermangelung eines luxemburger Journalistenbundes, „herangezogen“, außer ihnen aber noch von jedem täglich erscheinenden Blatt je ein Vertreter, macht im Ganzen fünf. Darüber hinaus noch zwei Herren, die den Bedingungen für die Aufnahme in die A. G. P. B. entsprechen. Macht zusammen sieben. Das ist mehr, als anderswo im Verhältnis Journalisten bei ähnlichen Gelegenheiten „herangezogen“ werden.

Überdies hätten die Herren, die im Organisationsausschuß tätig waren die Arbeit gerne mit andern von dem „ganzen Häufchen“ geteilt. Aber, wie gesagt, im Verhältnis zu der Vertretung organisierter ausländischer Journalisten bei ähnlichen Gelegenheiten war der Stand hier überreichlich „herangezogen“. In Brüssel wäre auf ein Häufchen, wie das unsere, noch nicht ein ganzer Mann gekommen.

Ein anderer stellt fest, daß beim Tourismus eigentlich nur die Hotelwelt in Betracht kommt, daß es nicht einzusehen ist, warum Stadt und Regierung und verschiedene Mosel- und Sauerstädtchen den belgischen Journalisten Banketts schmeißen sollen, zumal Stadt und Regierung jährlich ein Dutzend von ähnlichen Empfängen zu erledigen haben - „der Besuch einer ganzen Reihe belgischer Musikgesellschaften steht bereits bevor“ - und daß ein Beteiligter ausgerechnet hat, daß ein kürzlich angebotenes Festessen mit Zubehör die Kleinigkeit von 20 000 Franken gekostet haben soll.

Immer fällt einem da wieder der oft zitierte Vers von Paul Clemen über den luxemburger Spießer ein, der vor jedem Haus den Müllkasten untersucht und sich Gedanken macht, wenn er an den Überresten merkt, daß einer ein Extra hatte.

Der Tourismus ist wirklich etwas ganz Anderes, als die sonntäglichen Ausflüge von Musik- und Feuerwehrvereinen. Wie wir ihn verstehen, soll er ein Strom von Fremdenverkehr sein, der während der ganzen Reisezeit wochaus wochein über Stadt und Land geht.

Um diesen Strom über unser Land zu leiten, geben Staat und Privatleute jährlich Hunderttausende für Reklamen aus.

Hier war eine einzigartige Gelegenheit, die wirksamste Reklame im denkbar größten Stil in die Presse des Landes zu bringen, das heute für unsere Fremdenindustrie in erster Linie in Betracht kommt. Der Belgier reist gern und ist beim Reisen spendabel. Wenn also tagelang in der belgischen Presse, im redaktionellen Teil, nicht in den Anzeigen, die Schönheiten unserer Landschaften und die Güte unserer Produkte begeistert angepriesen werden, so ist das ein Resultat, das man eben nur mit Hilfe von Journalisten erzielen kann.

Eine Blechmusik oder ein Verein von Pfeifenrauchern aus Molenbeek St. Jean würde uns nicht zu einer solchen Reklame verhelfen können.

Außerdem hatte der belgische Journalistenkongreß die Reihe der Einladungen mit einem splendiden Festessen im Kasino eröffnet, und wenn Stadt und Regierung die Einladung erwiderten, so genügten sie damit einer ganz elementaren Höflichkeitspflicht.

Und wenn ferner Grevenmacher, Diekirch und Remich für den Empfang der belgischen Journalisten einige Opfer brachten - von denen übrigens ein nicht geringer Teil auf die Firmen Jean Bernard und Caves St. Martin fällt - so wußten die intelligenten Vertreter dieser Städte und wußten die reklamegewohnten Leiter der genannten Firmen sehr wohl, was sie taten.

Noch eine Bemerkung: Im Anschluß an die zuletzt erwähnte Presseäußerung werden vielleicht in den nächsten Tagen phantastische Summen genannt werden, die diese oder jene Veranstaltung gekostet haben soll.

Das ist zunächst eine Beleidigung für die Lieferanten, weil es Überforderung insinuiert. Alle bei der Herrichtung interessierten Firmen verdienen im Gegenteil uneingeschränktes Lob für die Bereitwilligkeit, mit der sie unter sehr schwierigen Verhältnissen sich dem Organisationsausschuß zur Verfügung stellten. Von Überforderung ist keine Rede, und Summen, wie sie in der Presse genannt wurden, gehen weit über die Wirklichkeit hinaus.

Die Grimberger mögen sich beruhigen, es ist gute, billige und nachhaltige Arbeit getan. Darauf kam es an.

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