Original

13. Juni 1922

Ein Herr Ry beschäftigt sich im „Luxemburger Wort“ vom vorigen Samstag lebhaft mißbilligend mit meiner Person und meiner schriftstellerischen Tätigkeit.

Es wird mir glaubhaft versichert, daß Ry ein Schullehrer mit Namen Arthur Haryzist.

Das freut mich. Sie werden gleich sehen, warum.

Dieser Herr Arthur Hary hat seit längerer Zeit versucht, in Verkehr mit mir zu treten, zuerst, indem er mich um Beiträge für eine Kinderzeitung anging, die er herausgab.

Ich fand auf die Dauer an dem Verhältnis keinen Spaß, weil die Betriebsamkeit dieses Herrn Hary mehr Talent zum Weinreisenden, als zum Literaten verriet.

Jetzt versucht er es also anders herum. Es fällt mir nicht ein, gegen die Kritik, die er an meiner Tätigkeit übt, auch nur mit einer Silbe zu protestieren. Es handelt sich um anderes

Erstens datiert er seinen Keif- und Literaturbrief vom 1. September 1921, erwähnt darin aber eine kleine Posse, die erst gegen Weihnachten 1921 herauskam und jedenfalls nach dem 1. September 1921 geschrieben wurde. Daß Herr Arthur Hary Monate vorher „dramatische Taten“ wittert und sie als „arm und harmlos“ registriert, verdient alle Hochachtung. Es läßt aber auch die Vermutung aufkommen, daß er seinen Literaturbrief vordatierte, um nicht in den Verdacht zu kommen, er habe ihn aus einem kürzlich gegebenen Anlaß als Retourchaise einem Dritten zulieb geschrieben.

Herr Hary beginnt seinen Brief mit einer Erwähnung des „Arme Pierrot, Spill mat Gesank a 4 Akten vum Batty Weber“.

Einige Spalten weiter schreibt er über dasselbe Stück:

„Die Hand auf’s Herz, mein Freund! Ist Ihnen in unserm Schriftwesen jemals etwas derart Ulkig es und Phantastisches vorgekommen? Kennen Sie irgend etwas, das so feierlich einsetzt, um derart im Lächerlichen zu enden? Ein Kinderball, der im blendenden Preußischblau anschwillt und schillernd hochschwebt, um plötzlich, mit mattem Laut zu platzen? Aber da hätten Sie zur Zeit, wo das Meisterwerk der Menschheit geschenkt wurde, die Klaque hören sollen!“

Die Klaque werden Sie gleich hören.

Ich besitze nämlich von Herrn Arthur Hary folgenden Brief, den ich durch einen glücklichen Zufall nicht, wie seine andern Briefe, damals gleich in den Papierkorb geworfen hatte:

„Lehrer Arthur Hary Herausgeber der „Zeitung für kleine Leute“ Luxemburg.Fels, den 29. August 1917.Hochgeehrter Herr Weber!

Glauben Sie nicht, daß ein Stück, wie Ihr „Arme Pierrot“ so rasch erledigt ist. Ich habe mich alle die Zeit über damit beschäftigt und gedenke ganz und gar nicht abzubrechen. Es ist in der Tat ein so durchaus hervorragendes Stück, daß es der Mühe wert ist, sich ganz darein zu vertiefen, und von neuen Standpunkten aus die Dialektliteratur zu werten und zu ordnen. Ich werde gerade hier ansetzen und in einer ganzen Artikelserie unsere gesamte dramatische Produktion nach neuen Gesichtspunkten klarlegen.

Es wird mir eine Ehre sein Ihnen, wenn es Ihnen recht ist, einmal - wenn wir erst wieder im Amte sind - darüber zu sprechen, Ihre Meinung und Ihren Rat zu hören, und Ihnen das Manuskript vorzulegen.

Herrn Frieseisen hat es leid getan ums Lied, Er hätte so gerne eines von Ihnen vertont, Immer Ihr ganz ergebenster Arthur Hary.“

Nur die Dummen ändern ihre Meinung nicht, sagt die Weisheit der Völker.

Demnach wäre es, wenn jemand seine Meinung ändert, ein Beweis, daß er gescheiter geworden ist.

In diesem Sinn wünsche ich Herrn Hary, im Interesse der Erstarkung seiner Intelligenz, daß er noch oft seine Meinung ändern möge. So zirka fünfzehn bis zwanzig Mal wird, nach seinem „elften Literaturbrief“ zu urteilen, wohl genügen.

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KatalognummerBW-AK-010-2174