Original

22. Juni 1922

Der englische Humorist Jerome K. Jerome schreibt irgendwo in seinen Idle thoughts of an idle fellow: «But between you and me, you know, I think it does a man good to swear.» (Unter uns gesagt, es tut einem Mann gut, wenn er fluchen kann.)

Und dann erklärt Jerome K. Jerome, wie das Fluchen auf den Seelenzustand des Mannes wirkt. Fluchen, sagt er, putzt ihn inwendig aus, wie eine Portion Schießpulver einen Waschhausrauchfang. Beiden ist eine solche gelegentliche Explosion bekömmlich.

Das Fluchen ist es wirklich wert, daß sich der Psychologe und der Moralist näher damit beschäftigt.

Es ist, wie Jerome K. Jerome richtig sagt, eine seelische Explosion.

Jede Explosion ist ein plötzliches Maximum von Kraftentfaltung. Diesem Maximum von Gemütsbewegung muß naturgemäß ein Maximum körperlicher Betätigung entsprechen. Die Hemmungen der Zivilisation haben dieses in die Sprachwerkzeuge verlegt, um zu verhindern, daß die Männer, statt zu fluchen, gleich mit Fäusten dreinschlagen. Es ist besser, einer begeht eine Sünde und gibt Ärgernis durch Fluchen, als daß er eine kostbare Vase in einen teuern Spiegel oder die Suppenschüssel durch das Fenster wirst.

Die Höchststeigerung, die im Fluchen liegt, wird bezeichnenderweise dadurch erreicht, daß die Urflüche aus den abwegigsten Gedankengängen kommen. Tod, Hölle, Himmel, Teufel, Gott, die verpöntesten Pudi- bunda der Sprache, die saftigsten Erzeugnisse der Koprolalie bilden das Rohmaterial der ältesten Flüche.

Unter der Einwirkung der Religion wurde ihnen dann allmählich der Giftzahn ausgebrochen. Aus dem verpönten Sacré nom de Dieul, das bei uns in Zackerdjeß korrumpiert ist, wurde das harmlose Nom d’une pipe (Nondipipp)! Der Beichtvater eines französischen Königs, der den damals üblichen Fluch Jarnidieu! (je renie Dieu) beständig auf den Lippen führte, flehte Seine Majestät an, statt des lieben Herrgotts doch ihn selber zu verleugnen, und da er Cotton hieß, fluchte der König von da ab alkoholfrei «Jarnicotton»!

Allmählich wurde für fluchartige, vermessene Redensarten, harmloser Ersatz eingeführt. So für „Hol dich der Teufel!“ das gemütliche „Daß dich ein Mäuslein beiß!“ oder ein Wunsch, der zum Hosenboden in übelwollender Beziehung steht. An unserer Mosel hat das bekannte «Kreiz d’Bän iwerenän» sicher auch einen Fluch ersetzt und war erst gleichbedeutend etwa mit dem Köllschen „Do jehsde kapot!“ Heute ist es in den Ausruf des komischen Erstaunens «Ä Kreizbän!» zusammengeschmolzen. Es erhält sich sicher noch lange, weil es eine Hauptforderung erfüllt, die an einen herzhaften Fluch oder seinen Ersatz gestellt wird: Nämlich daß er einem den Mund voll gibt.

Frauen fluchen im Allgemeinen nicht. Fluchen ist Gewalttäigkeit, und der sind die Frauen abgeneigt.

Sie strecken lieber die Zunge heraus.

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KatalognummerBW-AK-010-2182