Original

25. Juni 1922

Ich, der friedfertigste Mensch von Schengen bis Bögen und von Martelingen bis Echternach, sehe mich plötzlich in einen Stacheldrahtverhau von Polemik mit „Indépendance Luxembourgeoise“ und „Luxemburger Wort“ verwickelt.

Mit der „Indépendance» habe ich es verschüttet, weil ich dagegen protestiert habe, daß die Josephstraße in Boulevard Foch umgetauft werde. In der „Indépendance“ antwortet mir ein liebenswürdiger Lxeumburger in wirklich beschämend anständigem Ton, daß ich unrecht habe, als Täufling den Paradeplatz vorzuschlagen, und daß in Frankreich sehr oft sogar ganze Ortschaften den Namen einer historischen Persönlichkeit gegen den Namen Wilson, Foch, Albert I. u. a. m. haben umtauschen müssen.

Gewiß ist das der Fall. Aber dann handelte es sich doch wohl um historische Persönlichkeiten, die, wie der Herr in der „Indépendance Luxembourgeoise“ selber bemerkt, durch einen Umschwung in der öffentlichen Meinung mißliebig oder gleichgültig geworden waren.

Um es kurz zu machen, erkläre ich, daß ich durchaus nicht auf der Place Foch für Place d’armes bestehe. Ein ebenso sympathischer wie witziger Mitbürger hat bei mir angeregt, statt der Josephstraße die Arsenalavenue nach dem großen Marschall umzutaufen. Da fällt das Bedenken historischer Pietätlosigkeit fort, mit Arsenalen haben wir heute grade so wenig zu tun, wie mit Waffen, ein Arsenal ist uns an und für sich ein sehr bedingt interessantes Lokal.

Dafür klingt Avenue Foch durchaus mundgerecht, die ewige Verwechslung zwischen Arsenalstraße und Arsenalavenue hört auf, der Name Avenue Foch erinnert an den Tag, an dem die französischen Truppen durch eben diese Avenue bei uns einzogen, und der Vater der Idee hat die Genugtuung, daß die Straße, in der er selbst wohnt, den Namen des Mannes trägt, den er für einen der größten der Weltgeschichte hält. Also wollen wir uns wieder vertragen.

Mit dem „Luxemburger Wort“ liegt der Fall viel- leicht noch harmloser. Ein hiesiger Verleger hatte mir ein Buch geschickt mit der ausdrücklichen Bitte um eine Besprechung. Ich sagte in der Zeitung, was ich über das Buch dachte und von jeher gedacht hatte. Darauf erschien im „Luxemburger Wort“ eine Retourchaise, über die meine Freunde sich ärgerten, weil sie sie dumm und gemein fanden. Ich habe darüber kein Urteil. Ich enthalte mich, wie sie in der Kammer sagen, aus persönlichen Gründen. Ich machte damals nur auf ein Malheur aufmerksam, das dem Verfasser passiert war, indem er eine kleine Posse von mir tadelte, die erst mehrere Monate nach dem Datum seines Artikels erschienen war. Außerdem nannte ich als Verfasser einen, der es nicht gewesen sein will.

Daraufhin hatte ich mit allerhand anonymem Gesindel zu tun. Ich berief mich auf Gewährsleute, und das „Luxemburger Wort“ verlangte, daß ich diese nennen sollte. „Wenn Sie den Mut dazu haben!“ sagte es triumphierend.

Da liegt der harmlose Einschlag der Geschichte. Die Leser haben längst gemerkt, daß das „Luxemburger Wort“ durch diese Formel nicht mich, sondern die Dunkelmänner der Literaturbriefe, mit denen es geplagt ist, auf den Esel setzen will.

Einen Gewährsmann nenne ich z. B. nicht, wenn ich ihm ehrenwörtlich Diskretion versprochen habe. Dies Ehrenwort zu brechen, dazu gehört keinerlei Mut.

Dagegen gehört vielleicht ein gewisser Mut dazu, mit der eigenen Person für seine Sache öffentlich einzutreten. Nicht einmal den haben die anonymen Literaturschuster des „Luxemburger Wort“. Das wollte ihnen das „Wort“ auf einem Umweg mit feiner Ironie klar machen. Sie haben nicht die Entschuldigung der ehrenwörtlichen Diskretion, denn so ein Fatzke kann sich doch schließlich nicht vor den Spiegel stellen und zu sich selbst sagen: „Habe keine Angst, ich versichere dir auf Ehrenwort, daß ich dich nicht nennen werde!“

Ich werde dem „Luxemburger Wort“ also meine Gewährsleute nicht nennen, trotzdem einzelne davon auf Diskretion ausdrücklich verzichtet haben. Ich werde sie nicht nennen, weil der anonyme Literaturbriefsteller sich nicht nennt. Ich werde sie nicht einmal nennen gegen die Zusicherung, daß er sich bekannt geben will. Denn nach allem Vorgefallenen bürgt mir nichts dafür, daß dann nicht eines Tages ein Hausknecht oder eine Zeitungsfrau des „Luxemburger Wort“ sich als Autor der Literaturbriefe bekennen wird.

Ich mache nun definitiv Schluß. Ich werde von heute ab mich nur noch für Hechtspinnen, Mordaffären und Markkurs interessieren. Ich habe überhaupt nie Wert darauf gelegt, das letzte Wort zu haben. Denn es ist selten das beste.

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