Der bekannte Landschaftsphotograph Herr Kämmerer aus Wiltz schreibt mir folgenden entrüsteten Brief:
„Ich war am letzten Dienstag, 20. Juni, geschäftlich in Luxemburg und hatte, was ich mir schon seit Jahren vorgenommen, meinen Photoapparat mitgenommen. Mich reizte schon seit langer Zeit das von den Brücken herunter so herrlich anzusehende Petrußtal mit seinen Anlagen und alten Bäumen. Um die Mittagsstunde stieg ich bei der neuen Brücke hinunter in Richtung Gaswerk und entdeckte herrliche Punkte zu Aufnahmen. Aber das Gelände war so mit Papierfetzen übersät, daß erst nach langem Säubern die Aufnahmen möglich gewesen wären. Ich stieg dann, etwas ärgerlich ob dieser Störung im Bildfelde zu Tal hinunter und gerade wollte ich die mächtigen Riesen der unteren Allee zur Zielscheibe nehmen, als ein fürchterlicher Gestank mich einhüllte und es mir, der an die schöne öslinger Höhenluft gewohnt ist, beinahe zum Erbrechen übel wurde. Man mag im ganzen Lande von dem Gestank der „Wiltz“ unterhalb der Wiltzer Gerbereien reden, aber dieser Geruch läßt sich schließlich noch ertragen. Was man aber in der Petrußallee in der heißen Mittagssonne einatmen muß, ist ein undefinierbarer, übelweicher, ich möchte sagen, das „Gemeinste“ von Gestank, was man sich denken kann, und vor dem man sich nur durch eilige Flucht retten kann. Ich stieg darum schnell wieder einen Pfad bergan und machte mir Gedanken darüber, ob es nicht möglich gewesen wäre, die den übeln Geruch ausströmenden Röhre um einen Kilometer zu verlängern bis zur Alzette unterhalb der Stadt und so die wirklich wunderbarer Anlagen ihrem Zweck dienlicher zu machen. plagen sich oben auf den Plateaus die Gärtner duftende Blumen in prächtigen Beeten zu pflegen während unten allerhand Mikroben dem Schatten suchenden Wanderer auf den Leib gehetzt werden. Nein, Herr Redakteur, ins Petrußtal zwischen den beiden Brücken bekommt mich kein Mensch mehr hinunter, es sei denn an einem kalten Wintertage, wenn der Schnee zudem all die Tausende von Papierläppchen unter den wuchtigen schönen alten Wallmauern gnädig zudeckt. Gibt es denn keinen Aufseher der Anlage, der jede Woche mit einem Korb diese Papierfetzen einsammeln könnte? Solange werde ich mich nach der andern Seite der Stadt wenden, wenn ich wieder hinkomme.“
Herr Kämmerer hat recht. Wenn man stinkt, wie die Petruß beim Einmünden der Cloaca maxima gehört man nicht unter Menschen.
Aber, es geht vorläufig nicht anders, sagen sie. Das Tout à l’égout tut allen gut (Pardon, Fernand!), wenn es nur einmal fertig wäre. Herr Kämmerer wäre schon zufrieden, wenn der Gestank auf den schönen Petrußpromenaden vorbei bis zum Stadtgrund geleitet würde. Aber schließlich kann ein Spaziergänger diesen Miasmen entrinnen, während die Leute im Stadtgrund darin leben, arbeiten, essen und schlafen müßten. Außerdem bekommen sie den Gestank so wie so.
Ich habe erzählen hören, in der Petruß habe es früher Forellen gegeben. Fische jedenfalls. Noch vor 45-50 Jahren konnten sich die Gärtner aus der Petruß dort gelegentlich eine Pfanne voll angeln.
Wann, o Herr Sax, Tiefbauingenieur und Vater des Tout à l’égout, werden wir wieder Rotaugen in der Petruß fischen und ohne Erbrechen photographische Aufnahmen machen können?