Original

19. Juli 1922

Der heilige Medardus trat vor Gottes Thron und sagte mit einer Stimme, die ganz leise vor verhaltenem Zorn bebte:

„Jetzt hab ich’s aber satt, himmlischer Vater, so kann das nicht weiter gehen.“

„Was ist denn los, lieber Medardus?“ sagte Gottvater wohlwollend, strich sich den Bart und begann sich eine neue Pfeife Semois zu stopfen. Denn seit dem belgischen Anschluß raucht er nur Semois.

„Was los ist? Ich bin es müde, von den Menschen für dies anhaltende Sauwetter verantwortlich gemacht zu werden. Wenn es von meinem Namenstag ab schönes Wetter ist, sagen sie davon kein Wort, daran wird mir kein Verdienst zugeschrieben. Gießt und sabert es aber den ganzen Juni und Juli, dann muß ich es gewesen sein. Und sie dichten mir in ihren Bauernregeln eine Aufführung an, deren schon ein gewöhnlicher anständiger Mensch, um wieviel mehr ein Heiliger sich schämen muß. Und das soll ich gar vierzig Tage in einem Stück so treiben. Es fehlte noch, daß sie mir ein Denkmal setzen wie dem ältesten Bürger von Brüssel. Und dabei wissen Sie doch am besten, himmlischer Vater, daß ich für die sechs Wochen Regen nicht aufzukommen habe.“

Gottvater konnte sich eines leichten Schuldbewußtseins nicht erwehren und steckte, um nichts sagen zu müssen, seine Pfeife in Brand.

Da trat auch der heilige Lorenz vor Gottes Thron und hub an:

„Eure himmlische Majestät werden entschuldigen, wenn ich vorbeuge.“

Gottvater sah ihn fragend an.

„Nun ja, ich bin im selben Fall, wie mein Kollege Medardus. Von mir sagen sie: Den hellege Lenz - Mecht eng Saang oder eng Strenz! Ich bitte Sie, himmlischer Vater, wo hätte ich die Macht her, vom 10. August ab eine Saang oder eine Strenz zu machen! Ich bin ein guter Kerl, das wissen Sie, ich habe sogar noch Witze gemacht, als sie mich auf dem glühenden Rost brieten. Aber diese Ungerechtigkeit seitens der Menschen kann ich nicht vertragen. Es ist direkt eine Feigheit von ihnen, daß sie uns einfache Heiligen in die Affäre ziehen. Wenn einer mit dem Herrn nicht anzubändeln wagt, vergreift er sich am Diener. Und eine Strenz! Ich bitte Sie .... pfui!“

Indigniert spuckte der heilige Lorenz aus. Gottvater nahm seine Pfeife aus dem Mund, räusperte sich und sprach:

„Tja tja, es ist eine Nörglerbande, es war mir schon wiederholt leid, daß ich sie überhaupt geschaffen habe. Was meint Ihr wohl! Ich bin noch viel schlechter dran, als Ihr beide. Mir. schieben sie alles in die Schuhe, Krieg, Pest, Hungersnot, Mißwachs, Blitz und Hagelschlag, für jede böse Schwiegermutter werde ich angejammert: Gott, womit habe ich das verdient! Nur daß sie noch nicht gewagt haben, dafür in eine Bauernregel zu setzen. Und grade es am besten mit mir meinen, sind die schlimmsten. Die verdrehen fromm die Augen nach mir, wenn der Spatz vom Dach fällt, und sagen salbungsvoll: "Der Sperling fällt vom Dach, ohne daß Er es will." Und wenn ihnen das Firmament über den Köpfen zusammenbricht, sagen sie: Was Gott tut, das ist was getan. Kurzum, an allem soll ich schuld sein, da beklagt Euch nicht darüber, daß sie Euch für das bißchen Regen verantwortlich machen!“

Sie zogen sich niedergeschlagen zurück. Unten sagte der heilige Medardus respektlos: „Der wird alt.“

Gottvater aber besah sich die Pracht, die derJüngling hier unten geschaffen hatte und die die regnerische Kühle des Sommers zugrunde richtet. Und brummte vor sich hin: „Ich möchte ihnen doch helfen, wenn ich nur wüßte, wie es gemacht wird.

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