Original

20. Juli 1922

Denkmäler und Ausstellungen stehen im Ruf, nie rechtzeitig fertig zu werden.

Unser Monument du Souvenir will von dieser Regel eine Ausnahme machen.

Auf dem Konstitutionsplatz sind die Arbeiter dabei, die Fundamente auszuheben. Herr Claus Cito, der Schöpfer des Denkmals, ist auf den Termin fertig. Alles läßt darauf schließen, daß diesen Herbst, wie es in Aussicht genommen war, die feierliche Einweihung stattfinden kann.

So ist aus einer Idee glücklich Erz und Stein geworden.

Wer kann bestimmen, wann und in welchem Hirn zuerst der Keim zu dieser Denkmalidee entstanden ist? Denn in dem Moment, wo der Gedanke sich in Worte kleidete und die Worte zur Werbung in den Zeitungen wurden, da war die Idee längst über die Zeit der Empfängnis hinaus. Wollte man eine Umfrage darnach veranstalten, wo sie zuerst den Körper des Worts angenommen hat, so würden sich zweifellos viele Väter melden.

Aber darauf kommt es nicht an. Die wahren Väter dieses Denkmals sind die jungen Söhne unserer Heimat, die in den Reihen der Westmächte gekämpft haben. Das Denkmal erhält Sinn und Bedeutung aus der Tatsache, daß der Sieg der Westmächte uns von der fremden Besetzung befreite, die uns Wehrlosen in ein paar Morgenstunden das entrissen hatte, worum draußen auf der ganzen Linie der erbitterte Kampf sünsthalb Jahre lang ging: Das freie Schalten auf eigenem Boden.

Die Toten, denen das Denkmal gilt und die unter französischen und belgischen Fahnen gefallen sind, stehen uns als Sinnbild dieser Befreiung, an der wir auf diese Weise auch unser Teil haben. Wir brauchen uns also nicht grade alles vom Ausland schenken zu lassen.

So geht die Linie zurück, über den Keim zur Denkmalsidee, bis in den Graus der Schlachten, bis in Herz und Hirn der Kämpfenden, die eines Stammes mit uns waren, die in den Schützengräben und Lazaretten sich in die Heimat träumten, die im Gekrach und Gedröhn des Sperrfeuers und im Wahnsinn der Attacke vielleicht einen lieben Namen von zuhaus keuchten, die zu Tode getroffen mit dem uralten Wehschrei nach der Mutter hinstürzten.

Zwischen jenem Bild und dem vollendeten Denkmal, welche Fülle chaotischen Geschehens! Und durch alles hindurch entwickelte sich stetig und sicher der Keim, der sich zu diesem Gedächtniswerk auswachsen sollte. Konsequenter und gediegener ist selten eine Idee samt allem dazu gehörigen Materiellen verwaltet worden, wie diese Denkmalangelegenheit.

Und so wird als Pendant jenes grauenvollen Bildes an einem schönen Herbsttag sich auf dem alten Festungswall ein anderes, freudig weihevolles entfalten, inmitten dessen unsere toten Befreier Auferstehung in Bronze und Stein, in Sang und Klang und befeuerten Worten feiern werden.

Nur der Name gefällt mir nur halb. «Monument du Souvenir» ist ein Pleonasmus. „Denkmal des Andenkens“.

Warum sollen wir ihm nicht den Namen geben, den es verdient, der zu ihm paßt und der mehr und Deutlicheres bedeutet, als Monument du Souvenir?

Warum soll es nicht Freiheitsdenkmal heißen?

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  • cultural memory: monument
KatalognummerBW-AK-010-2205