Die Regierung hat mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt:
Ich habe hier des öftern beantragt, man solle doch, wenn im Innern der Stadt eine bauliche Veränderung vor sich geht, von dem Eckchen steinerner oder hölzerner Geschichte, das verschwindet, eine photographische Aufnahme machen. Die städtische Bauverwaltung hat sich darum nie gekümmert.
Dieser Tage nun wurde an dem Refugium Sancti Einfahrttor durch ein neues ersetzt, und bevor das alte verschwand, wurde Herr Bernhard Kutter beauftragt, es im Lichtbild festzuhalten. Er hat von beiden Toren Aufnahmen gemacht, die schon an und für sich interessant genug sind, darüber hinaus aber auch eine stumme und desto beredtere Sprache führen.
Es war tatsächlich kein Mutwille, daß man diesem alten Tor einen Nachfolger gab. Seinerzeit bestand lange die Hoffnung, daß das „große“ Ministerium, unter dem Jahrzehnte lang jede Krifis undenkbar schien, das alte Tor von St. Maximin überdauern würde. Es kam anders. Und seither haben sie sich so unablässig am Regierungstor die Klinke in die Hand gegeben, daß es aus den Fugen ging.
Das neue Tor ist schöner, als das alte. Natürlich. Sonst hätte es die Mühe nicht gelohnt, das alte zu ersetzen. An dem neuen ist viel mehr elegantes Schnitzwerk, zumal am Oberlicht. Die neuen Füllungen der beiden Torflügel sind von Glas, hinter schönem schmiedeeisernem Gitter. Nur der Fuß, je vier Rauten in einer, ist dem alten genau nachgebildet. Wahrscheinlich damit niemand auf den Einfall kommt, auf das neue Tor das bittere alte Sprichwort anzuwenden: „Uewen erem e Spetzekranz, Ennen erem de Läpp net ganz.“
Wir werden uns lange beim Anblick dieses neuen Tores mit Wehmut daran erinnern, daß wir unter seinem Vorgänger oft nicht wußten, was wir mit unserm Bont anfangen sollten, während wir heute nicht wissen, wie die klaffenden Abgründe im Büdget auffüllen. Das alte Tor war der Zeuge langer, friedlicher und darum glücklicher Jahre.
An dem neuen vorüber ziehen tagtäglich Unzufriedenheit, Sorge, Verworrenheit, die ganze Trabantenschar der Kriegsnöte, die nun schon vier Jahre hinter uns liegen und die Welt doch noch immer nicht zur Ruhe kommen lassen.
Wie wird es sein, wie wird es um uns stehen, wenn sie wieder einmal der alten Zufluchtsstätte von Sankt Maximin ein neues Tor einsetzen, von dem ein Urenkel des Herrn Bernhard Kutter ein Bild aufnehmen und zu den zwei alten in seine Mappe legen wird?