Original

26. September 1922

Heute bestehen die Grevenmacherer 21er ihre dritte Probe auf der Versteigerung der Weingüter Witwe Jos. Keiffer und Deysermill, 26 Fuder Fels, Hongeschberg, Grauerd, Geffelt, Deysermill und Deysermill Riesling.

Die Versteigerung findet im Lokal SchneiderConter statt.

„Und wer als frommer PilgerFrühmorgens ihm genaht,Weh ihm, als WeinvertilgerDurchtobt er nachts die Stadt.“

Die Verse stehen in Scheffels feuchtfröhlichem Sang vom Zwerg Perkéo. Ich weiß nicht, warum sie mir grade beim Namen jenes bekannten Grevenmacherer Restaurants einfallen. Vielleicht, weil es in Zecherkreisen denselben vortrefflichen Namen hat, wie das Heidelberger Faß, das auch im Perkéo-Lied vorkommt? In ihm gehen die Geister aller guten Gewächse seit Jahrzehnten um, und mehr braucht es nicht, um die Liebhaber für die trefflichen Tropfen zu begeistern, die heute bei Schneider-Conter ausgeboten werden.

Denn treffliche Tropfen sind es zweifellos. Das Weingut Jos. Keiffer steht von jeher in vorzüglichem Ruf, und wenn eine Weinberlage auf Fels und Berg getauft ist, darf man vornherein annehmen, daß die Sonne von früh bis spät um sie herum spazieren geht. Der Grevenmacher Fels hat auf der Clasen’schen Versteigerung Triumphe gefeiert und wird es heute voraussichtlich nicht minder. Bei dem Worte Hongeschberg schnalzen die alten Schoppenstecher mit der Zunge. Und daß der Grauerd und der Geffelt auf der Liste soweit unten stehen, gibt abermals zu denken.

Die Densermiller Rebberge aber sind seit ihrer Modernisierung durch den früheren Besitzer Hrn. Velter in die Reihe der besten Lagen unserer Mosel aufgerückt. Sie liefern seither das Beispiel einer Musterbewirtschaftung.

So sind alle Vorbedingungen zu einem schönen Erfolg auch der heutigen Versteigerung gegeben. Die zuverlässigen 21er sind seltener geworden, als es scheinen mag; das meiste ist in festen Händen. Und doch war dies ein Jahrgang, dessen Wert an Güte und Preis in die Zukunft hineinwachsen wird. Und wer über ein paar Jahre noch ein Kellergefach voll Flaschen 21er liegen hat, wird sich glücklich preisen. Denn auf ein ähnliches Gottesgeschenk können wir lange warten.

Nun könnte es ja einigermaßen befremdlich erscheinen, daß gerade Grevenmacher mit seinen Creszenzen so stark hervortritt und solche Erfolge erzielt, trotzdem die Mosel entlang sicher noch bessere Lagen anzutreffen sind. Aber hier ist der Ort, wiederum festzustellen, wie sich die langjährigen Bemühungen verschiedener Weinbergbesitzer von Grevenmacher um eine sorgfältige Behandlung ihrer Reben und ihrer fertigen Weine endlich zu lohnen beginnen. Die Namen Dr. Knaff; J. P. Stümper, Dr. Clasen, Jean Dühr u. a. sind unzertrennlich mit der Veredlung des Weinbaues, mit der Einführung eines wissenschaftlichen Betriebes verknüpft. Und daß auf diese Weise Grevenmacher heute neben Wormeldingen als Zentrum des luxemburger Weinbaus und Weinhandels gilt, soll ein Ansporn für die talauf gelegenen Ort schaften sein, jenen Vorbildern nachzueifern. Und darum war dieser Hinweis im allgemeinen Interesse unseres Moselweinbaues nicht nur angezeigt, sondern geboten.

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KatalognummerBW-AK-010-2225