Die französischen Zeitungen beschäftigten sich vor einiger Zeit sehr lebhaft mit dem Fall einer Kriegswitwe, die auf dem Weg der Heiratsanzeige einen neuen Mann suchte. Sie führte darin zu ihren Gunsten an, daß sie eine Kriegspension von 1600 Fr. bezieht.
Darüber entrüsten sich die einen. Sie sagen: Ist es nicht eine Schande, daß dieses leichtsinnige Geschöpf ihren ersten Mann so rasch vergißt und einen Komplizen sucht, um mit ihm das Geld zu verjubeln, das ihr Erster ihr mit unsäglichen Leiden in den Schützengräben und im Graus der Schlachten und schließlich mit seinem Tode erkauft hat! Während seine Gebeine irgendwo in einem Massengrab modern, zwinkert seine Witwe einem Unbekannten zu und flüstert: "Kommen’s her, kleiner Schwarzer, ich habe von meinem gefallenen Mann 1600 Franken Pension, wir wollen es uns gut sein lassen!“
Die andern nehmen Partei für die Witwe. „Wie!“ sagen sie. „Frankreich hat nachweisbar von allen Ländern verhältnismäßig die höchste Sterbe- und die niedrigste Geburtenziffer. Und Ihr wollt einer hübschen, gesunden jungen Frau den Weg zur Mutterschaft verlegen, unter dem lächerlichen Vorwand, daß sie schon einmal verheiratet war! Ihr erster Mann st den Tod für Frankreich gestorben, Friede seiner Asche. Seine Witwe kann, statt auf dem Stengel zu vertrocknen, dem Land kräftige Söhne schenken, die es verteidigen werden, und Ihr seid ihr deshalb gram, weil sie mit dem Vater dieser neuen Landesverteidiger die 1600 Franken teilen will, die ihr Frankreich zahlt, nachdem es sie um ihren Ernährer gebracht hat! Was heißt es denn, daß sich die Gesetzgeber die Köpfe zerbrechen, um Prämien für kinderreiche Familien auszuhecken, wenn Ihr die Frauen mit Unfruchtbarkeit schlagen wollt!“
Je nach dem Standpunkt, auf den man sich stellt, gibt man den einen oder den andern, vielleicht den einen und den andern recht.
Hat aber sotane Witwe die Zunge auf dem rechten Fleck, so sagt sie zu den Zeitungsfchreibern: „Meine Herren, das geht Sie gar nichts an. Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Herzensangelegenheiten. Heiraten und Nichtheiraten war von jeher eine durchaus persönliche Angelegenheit, ja, man kann sagen die persönlichste Angelegenheit, die im Leben eines freien Menschen vorkommt. Also laßt mir meine Ruh. Wenn sich einer meldet, der mir gefällt, so bin ich klug genug, zu merken, ob er mich wegen meiner oder wegen der 1600 Franken Pension nimmt. Aber das alles, wie gesagt, geht Sie gar nichts an.“
So sagt die Witwe, wenn sie die Zunge auf dem recchten Fleck hat.
Und sie hat ebenfalls recht.