Was lange zu befürchten war, ist jetzt eingetroffen.
Das Wild ist allmählich so selten geworden, daß die Jäger, um nicht jedesmal «bredouille» nachhaus zu kommen, auf Ihresgleichen, statt auf Hasen, Rehe, Hühner und Sauen schießen müssen.
Der Anfang ist gemacht. Diese neue Art, das Waidwerk auszuüben, wird eine völlige Umstellung der bisherigen Jagdregeln und Gepflogenheiten mit sich bringen.
Bisher war es die Regel, wenn mehrere Jäger auf ein Wild geschossen hatten, daß jeder sagte, er sei es, der getroffen habe. Er war nöttgenfalls bereit, durch Feststellung des Kalibers, der Kugelform usw. den Bewets für seine Behauptung anzutreten.
Heute ist es umgekehrt. Haben mehrere Jäger im Verein einen der ihrigen zur Strecke gebracht, so will es keiner gewesen sein.
Bisher war es so, daß der Jäger eifrig auf das gestreckte Wild zustrebte, um es ja nicht zu verlieren. Fand er es nicht gleich, so wurde der Caro auf die Spur gesetzt. Um ein Stück, das zu Holz geschossen war, ging die Suche oft tagelang, und war das Wild endgültig verloren, so dauerte das Klagen darum gar Jahre lang. Denn die schönsten Hasen, Rehe und Schweine sind immer die, die man verliert.
Heute ist es auch darin anders geworden. Sowie ein Jäger unter dem Blei eines andern das Rad geschlagen hat, nehmen alle zentrifugal reißaus. Wahrscheinlich in dem Glauben, daß dann niemand vermuten wird, sie seien es gewesen. - Die mangelhafte Logik dieser Meinung liegt auf der Hand. Wer fortläuft, hat immer ein schlechtes Gewissen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich an Hand dieser neuen Methoden das edle Waidwerk noch weiter ausbilden wird. Zunächst wird sich die Jägersprache darauf einstellen und für das neumodische Wild entsprechende Benennungen erfinden müssen. Soll der jagdbare Jäger dem Rotwild, Damwild, Schwarzwild, Rehwild oder Gemswild zugezählt werden? Sollen seine Beine Läufe, seine Fußspuren Tritte bezw. Fährte, seine Augen Lichter, sein Mund Äser, seine Zunge Lecker, seine Ohren Luser, seine Gurgel Drossel, seine Nase Windfang heißen, soll man bei ihm vorkommendenfalls von Geweih oder Krone, von Grind, von Gabler, Sechs- bis Zehnender reden, von Gewaff, Borsten, Federn und Schwarte, von Gebrech, Fraß, Rauschzeit, oder von Bock, Kreuzbock, Perückenbock, von Bast und von Spiegel, von Fiepen, Blatten, Äsen usw.? Es wird da ein ganz neues Gefach aufgetan werden müssen. Denn wie banausisch und philiströs würde es klingen, wenn einfach gesagt würde: Sie haben den Jang in den Kopf oder ins Bein oder in den Bauch geschossen usw!
Jetzt wäre es auch an der Zeit, den alten Begriff „Jäger“ zu fixieren, ehe der Typus ganz ausstirbt.
Der Zug der Zeit geht nach Demokratisterung. Nichts aber hat sich weniger zur Demokratisierung geeignet, als die Jägerei. Aus einem xbeliebigen Knoten machen Sie eher einen König und Ahnherrn langer Geschlechterreihen, als einen waldgerechten Jäger.
Dem Begriff des alten Jägers läuft parallel der Begriff des Kavaliers, des großzügigen Menschen, dem nichts so verhaßt ist, wie merkantile Zweckstrebigkeit. Ihm ist das Wild nicht Zweck, sondern Mittel. Mittel dazu, schönes Urmenschtum zu genießen. Wer die Jägerei gleich in soviel Stück Wild umrechnet, soll lieber Metzger werden, und falls er das Jagen gewählt hat, um gegen seinen Wanst anzukämpfen, wird er viel besser Schwämme suchen und Mondorfer Wasser trinken.