Als der französische Nationalheld Georges Carpentier unter den Fäusten seines weiteren Landsmannes Battling Siki endgültig down gegangen war, begaben sich die Afficionados des Ring auf die Suche nach den Gründen dieser Niederlage.
Statt sich an die einfache Erklärung zu halten, daß Battling Siki länger und fester zugehauen hatte, als der große Georges, wurden Psychologie und Physiologie und Völker- und Rassenkunde um Auskunft bemüht. Und einer fand die Erklärung: Unser Georges ist unterlegen, weil er verheiratet und sein Gegner ledig ist!
Alle Weiberhasser und Strindbergianer werden höhnisch zustimmen: Ich hatte es ja gleich gesagt. Das Weib! Eva, Dalila! Dazu sind sie gut, Euch auf den Leim zu locken, Euch zu schwächen und auszusaugen. Und dann zu telegraphieren: N’importe, chéri, on s’aime tout de même!
Ich habe den Fall weiter nicht verfolgt. Aber wenn der Kollege, der die Stelle des Lindenblattes entdeckt hat, konsequent war, so mußte er im Prinzip für das Zölibat eintreten. Und denkt man diesen Gedanken folgerichtig weiter aus, so ergeben sich die merkwürdigsten Schlüsse.
Es handelt sich dann doch wohl in der Hauptsache darum, die Besten, Stärksten, Leistungsfähigsten vor der Schwächung und Ausbeutung durch die Ehe zu schützen.
Und was bleibt dann übrig? Dann ist die Zukunft der Rasse auf ein Heer von minderwertigen Schwächlingen oder mittelmäßigen Individuen gestellt.
Ich höre den Herrn Kollegen mir zuflüstern: „Aber nein doch, so war es nicht gemeint. Das Blut der Besten soll weiterkreisen, ich will sie um Gottes willen nicht zur Enthaltsamkeit verurteilen.“
So, also auf ein Zölibat mit Entsagung und Keuschheit und Kinderlosigkeit ist es nicht abgesehen. Freilich, das hab ich mir gedacht. Sonst hätte in Zukunft der Zudrang zur Boxerlaufbahn erheblich nachgelassen.
Ich erinnere mich, daß eines Tages einer unserer größten Staatsmänner, der Junggeselle geblieben war, weil er, wie er sagte, den Anschluß verfehlt hatte, mir in offenbar ernst gemeinten Worten das Lob des Zölibats sang.
„Wer etwas Tüchtiges, Konsequentes für die Gesamtheit leisten will, muß unbeweibt bleiben!“
Ich wußte, daß er immer Glück bei den Frauen gehabt hatte, und konnte ein skeptisches Lächeln nicht unterdrücken.
„Es ist nicht, was Sie meinen. Was den Mann in der Ehe schwächt, das sind vielmehr die tausend Ablenkungen durch Sorgen, Ärger, Verantwortung, das seelische Sichwundreiben an Wesen, an die er durch Gesetz und Herkommen und Naturinstinkt gebunden ist. Jede Freiheit bedingt den Verzicht auf gewisse Vorteile. Aber wenn die Nachteile der Gebundenheit größer sind .....“
Er versank in Träumerei.
„Wer weiß,“ - sagte er dann nach einer Weike - „wer weiß, ob das Wirken in die Zukunft durch Kinder, denen man Wesen und Namen vererbt, trotz allem nicht größer ist, als das unbehinderte und ungehemmte Wirken in die eigene Zeit?“
Wer weiß, ob Georges Carpentier nicht einmal in einem Sohn oder Enkel den stärksten Reger der Welt knock out hauen wird?