Der Unsegen des Überflusses hat sich nie so deutlich gezeigt, wie dieses Jahr bei der Obsternte.
Wo sonst ein Baum ein paar Dutzend Früchte trug, trägt er diesmal einen Waschkorb voll. Es regnet Äpfel und Birnen auf den Gartenboden und in den Nasen der „Bongerten“, zu Tausenden und Millionen faulen sie in den nassen Nächten, niemand gibt sich mehr die Mühe, sie aufzulesen.
Man hätte denken sollen, dies Jahr wären die Obstdiebe an der Arbeit, wie nie. Jeder Gartenbesitzer erinnert sich, wie er sich in früheren Jahren darüber ärgern mußte, wenn ihm allerhand Volk über Mauer und Zaun kletterte und sich ausgerechnet mit den edelsten Öbstern die Taschen füllte. Heuer nichts dergleichen. Die Birnen hängen als kostbarer Tropfensalt im Laub, die Äpfel strahlen gelb und rot, als spiegelten sie in einem fort Sonnenuntergänge, und alles geht vorüber und würdigt sie keines Blickes.
Eine tüchtige Hausfrau klagte mir: „Sie glauben gar nicht, wie vermessen die Leute sind. Ich wollte unserer Milchfrau das Fallobst aus unserm Garten verkausen. Wissen Sie, was sie mir geantwortet hat? Ich soll mir die Äpfel und Birnen sauer einmachen, sie hätten keine Verwendung dafür. Ich kann aber doch nicht alles glatt verfaulen lassen, es ist doch die reine Schande, die schönen Äpfel und Birnen, die besten Sorten! Unsere Kinder sind so brav, sie haben schen alle den Durchfall, weil sie seit Wochen anhaltend rehes Obst essen, aus Pflichtgefühl gradezu. Mein Mann ißt keines, weil er sagt, dann bekömmt ihm sein Dämmerschoppen nicht. Es ist ein Jammer! Gestern rief ich eine arme Frau mit ihren zwei Bübchen von der Straße herein und wollte sie sich einen Schoß voll auflesen lassen. Die freche Person sagte, wenn ich ihr zehn Francs gebe, wollte sie für mich das Obst auflesen, sie äße lieber Fleisch!“
Die ganze Negel de Tri ist falsch. Wenn früher der Zentner Tafelobst z. B. 20 Franken kostete, wo zehnmal weniger gewachsen war, so müßte er heuer, bei einer zehnmal reicheren Ernte, immer noch wenigstens 2 Franken gelten. Und wenn früher, wo ein Birnbaum nur 27 Stück trug, davon 20 gestohlen wurden, so müßte man annehmen, daß die Obstdiebe sich dieses Jahr, wo sich die Bäume unter der Last biegen, doch auch in einem gewissen Verhältnis eingedeckt hätten. Doch nein, sie strafen den Reichtum mit Verachtung. Und für die schönsten Calville und Louise Bonne finden sich keine Käufer.
Lieb was rar ist!
Liegt da nicht letzten Endes das ganze Geheimnis der sozialen Frage?