Auf den ersten Blick hat ein Bauer keine große Ähnlichkeit mit einer Taube, so wenig wie ein voller Kartoffelsack mit einem Ölzweig. Und doch hat mich heute mittag ein Bauer mit einem vollen Kartoffelsack auf dem Rücken an die alttestamentarische Taube mit dem Ölzweig im Schnabel erinnert. Er war mir, wie diese dem alten Noah, ein Zeichen, daß sich die Wasser verlaufen.
Die Kartoffel im Krieg und in der Nachkriegszeit war ein Anderes, als die Friedenskartoffel. Die Kriegs- und Nachkriegskartoffel war in eine Atmosphäre von Reglementierung, Plusmacherei, Wucher und Verstaatlichung gehüllt. Ihr Biedermannsgesicht hatte sich in strenge, unerbittliche Falten gelegt. Sie verkehrte nur noch in Lastautos, im Großbetrieb - oder umgekehrt in Armeleutekreisen, in Handwägelchen und Rucksäcken, die sie in einsamen Bergdörfern um Geld und gute Worte zusammengehamstert hatten und sie zentripetal in mühevoller Fron an die öslinger Bahnhöfe trugen.
Heute wird es wieder allmählich, wie in Vorkriegszeiten. Die Kartoffel kommt wieder in Bauernwagen vor unsere Türen, und der Mätt und der Pier und der Jang und der Neckel, die vor dem bösen August 1914 unsere Freunde waren, tragen wieder, wie ehedem, die Säcke in unsere Keller und trinken nachher mit uns einen Schnaps und sagen, daß es ja nicht pressiert hätte, wenn wir ihnen das Geld für die Kartoffeln auf den Tisch zählen. Man kann wieder seine Sorte wählen, Eduard oder Boni, rote oder gelbe, je nachdem man sie lieber „quellt“ oder lieber zu „Fritten“ verarbeitet. Die Kartoffel ist nicht mehr das „Mädchen aus der Fremde“, sie ist wieder die biedere Landsmännin, bei der man weiß, was man an ihr hat.
Diese ersten Wochen nach der Einkellerung des Wintervorrats ist es heuer wieder, wie vor neun, zehn Jahren. Man ist das quälende Empfinden los, daß die Knolle, die den Franz Drake berühmt gemacht hat, demnächst einzeln in Seidenpapier gewickelt wie die Orangen verkauft werden könnte. Man rechnet nicht mehr pro Stück, die Hausfrau kann wieder aus dem Vollen wirtschaften. Und sie spielt auf ihrem Kartoffelschatz, wie auf einem neuen Klavier, das man so herum und so herum probiert, mal forte und fortissimo, mal piano. Sie versucht die Neuen bald mit der Schale, bald als „halef nit an halef dach“, als gefuußt und als gebootscht, als gequellt und geröstet, gebraten und souffliert.
Und da wird es sie freuen, zu hören, wie die Soufflierte erfunden wurde. Der große Pariser Chef und Schriftsteller Prosper Montagné erzählt es im „Oeuvre“. Velpean, der Chefarzt der Pitié in Paris, aß gewöhnlich mittags, wenn er aus seiner Klinik kam, im Café de l’Univers. Eines Tages brachte ihm der Kellner sein Beefsteak mit flachgeschnittenen Kartoffeln, statt mit pommes de terre Pont-Neuf. Er schickte die Platte zurück. Der Kuchenchef warf die bereits erkalteten Kartoffeln in das kochende Fett zurück, um sie für einen andern Kunden zurecht zu machen. Aber - o Wunder! - als er sie herausschöpfte, waren sie aufgeblasen wie kleine Ballönchen.
Versuchen Sie es, Gnädigste.