Irgendwo, versichert man, wird wieder der Traum einer Universität Luxemburg geträumt. Ich hätte gedacht, man ließe uns mit diesem Unsinn jetzt endlich unbehelligt. Eine Zeitlang trugen sich gewisse Stellen mit dem Plan, hier eine Hochschule zu gründen. Das hing mit allerhand, auch mit den Jesuiten und dem jungen französischen Adel und ein paar luxemburgischen Gernegrößen zusammen. Oder ähnlich. Wer steckt denn heute wieder dahinter?
Was sollen wir mit einer Universität? Und wer trägt Verlangen darnach, daß Luxemburg eine Art Göttingen oder Marburg oder Jena wird, ein Provinznest, in dem jugendliche Unreife und Überhebung den Ton angeben? Es ist etwas Herrliches um die goldne Jugendzeit und die ungebundenen Studentenjahre, aber daneben gibt es andere Interessen, die sich weniger laut bemerkbar machen und viel schwerwiegender und allgemeiner sind.
Luxemburg als Stadt hätte also, wenn man den Dingen auf den Grund geht, wenig dabei zu gewinnen, daß sich hier eine Universität auftut.
Umgekehrt hätte unser ganzes Kulturleben dabei alles zu verlieren. Es ist in diesem Blatt schon oft ausgesprochen worden, daß unser einziges Mittel gegen geistige Inzucht in dem Besuch der fremden Universitäten durch die späteren Führer des Volks besteht.
Statt nun von der Gründung einer Universität Luxemburg zu träumen, sollten wir das Entgegengesetzte tun. Wir sollten dafür sorgen, daß unsere jungen Landsleute, die ins Ausland auf Hohe Schulen gehen, daraus den denkbar größten Vorteil ziehen. Der besteht nicht darin, daß sie bloß formale Bildung erwerben, sich die Gehirnkasten mit Wissenschaft vollstopfen. Sie sollen im besten Sinn Großstadt-Luft atmen, sich an das Tempo dieser Umwelt gewöhnen, in der Maximum Trumpf ist, sollen Spitzenkultur als ein Lebenselement empfinden lernen, um daheim als Sauerteig wirken zu können. Sie sollen im Geist des Volkes, das ihnen Gastfreundschaft gibt, mitschwingen lernen, sollen Familienanschluß suchen, die lebenden und toten Kunstschätze, die leidenschaftliche Schönheit des warmen Lebens auf sich wirken lassen, sollen empfinden lernen, daß für den Menschen, der seiner Zeit gehören will, das Beste grade gut genug ist. So können sie später in ihrem Kreis die Fäden von der Peripherie nach den Mittelpunkten spinnen, in denen sich Kultur in ewigem Gärungsprozeß gebiert und erneuert.
Darum sollte man daran denken, in die Materie der höheren Prüfungen ein neues Fach aufzunehmen. Lebenskunde dürfte es heißen. Der junge Mann hätte darzutun, in welchem Maße er die kulturellen Bildungs- und Veredlungsmöglichkeiten der fremden Universitätsstadt ausgenützt hat. Luxemburger zu sein, dazu hat er sein ganzes späteres Leben lang Zeit. Dazu braucht er in Paris oder Brüssel oder München nicht die Exterritorialität des Skat- und Biertisches hochzuhalten. Er soll den Keim alles Großen und Fruchtbaren, das die Großstadt bietet, in sich aufnehmen und ihn in der relativen Stille seines Berufes wachsen lassen. Man braucht, um im besten Sinn Großstädter zu sein, nicht in London, Paris, New York oder Berlin und andern Millionenzentren zu wohnen, man kann selbst als Kartoffelbauer die Großstadtpsyche in sich pflegen, man muß nur die Großstadt verstanden, man muß an ihr das erkannt und lieben gelernt haben, was ein Destillat aus höchsten und edelsten Lebenswerten, aus wertvollstem Menschtum ist.
Das lernt der junge Mann da, wo Brennpunkte der Kultur sind.
Und darum sollen wir uns mit Händen und Füßen dagegen wehren, daß in Luxemburg eine Universität entsteht.