Der erste Schnee - die Vifitkarte des alten Griesgrams Winter.
Und trotzdem, die Zeit der Blumen!
Denn nie steht unser Leben so im Zeichen der Blumen, wie in diesen Tagen, wo es in Feld und Flur aussieht, wie in einem Haus, wo Kisten und Kasten für die Abreise gepackt, die Möbel weiß überzogen und eingekampfert sind.
Es ist schön und rührend, daß wir die letzten Blumen auf die Gräber unserer Lieben tragen. Aber wir sollen nicht nur an die Toten, wir sollen auch an die Lebenden, an uns selber denken.
Den Sommer über glühten die Blumen in unsern Gärten, an den Häuserfronten. Wir gingen daran vorbei, wie wir an jedem Überfluß vorbeigehen.
Jetzt klingt das Lied von der letzten Rose auf. „Deine freundlichen Schwestern sind längst schon dahin.“ Und „Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag herbei, Daß wir noch einmal von der Liebe reden, Wie einst im Mai.“
Warum wollt Ihr von den Blumen Abschied nehmen?
Die Wärme des Sommers retten wir uns in die winterliche Traulichkeit unserer vier Wände, wir kennen das Geheimnis der ewigen Flamme. Warum sollen wir auf das ewige Blumenwunder verzichten, mit seinem Duft, seinen Farben, seiner Hymne an das Leben?
Warum sollen wir uns mit den traurigen Eisblumen begnügen, die der Frost an unsere Fensterscheiben zeichnet? Warum auf die Stimmung verzichten, die die lebendigen Blumen in unserm Heim verbreiten?
Erwarte von mir keine Fingerzeige über Blumenzucht im Winter, freundliche Leserin. Ich will nur ein wenig Schönheit predigen für die böse Winterzeit.
Denn sagt, was Ihr wollt, es ist eine böse Zeit. Es ist die Zeit der kalten Füße der triefenden Nasen, die Zeit der Schneeballenschlachten, der Rodelfahrten und gebrochenen Gliedmaßen, des Schlittschuhlaufens, der Bälle, der Diners, Vorträge, Konzerte und Theater. Aber das alles ist künstliche Aufquickung, Selbsttäuschung über die Leere einer Jahreszeit, in der uns die Sonne uns selbst überläßt. Es ist Menschenwerk.
Wollt Ihr Euch wirksam Leben vortäuschen, so umgebt Euch mit Blumen um und um. Ihr seid längst nicht mehr auf Reseden, auf die letzten Rosen und Astern angewiesen. Kluge Männer haben die Kunst gelernt, den Blumen ewiges Leben zu verleihen. Baut in Euern Zimmern die Pracht auf, die Euch aus den Schaufenstern der Blumengeschäfte anlacht: Chrysanthemen, Alpenveilchen, Farren, Erika, Primeln, Fuchsien, Palmen - Ihr habt die Wahl. Ein Sonnenstrahl, der an Euerm Fenster das Blatt eines Alpenveilchens rot durchglüht, oder den anmutigen Schatten eines Farrenwedels auf den Fußboden zeichnet, der gehört Euch, der ist Euer Sonnenstrahl, den Ihr Euch mit seinem ganzen Zauber zu eigen gemacht habt, der Euch ein Stückchen Sommer in die Stube und ins Herz strahlt.
Blumen, Blumen, Blumen!