Original

31. Oktober 1922

Eine liebenswürdige Leserin aus London, die zurzeit hier auf Besuch bei Verwandten ist, schickt mir eine Anzeige, die sie aus einer Londoner Zeitung ausgeschnitten hat. Darin zeigt eine große Pelzwarenfirma Mäntel, Kragen, Stolen usw. für Damen zu anscheinend vorteilhaften Preisen an.

Ich interessiere mich nicht besonders aktiv für Damenpelzwerk. Indes diese Anzeige fesselte sofort meine Aufmerksamkeit. Beim ersten Blick darauf fiel mir das Wort „Luxemburg“ in die Augen. Sogar zweimal.

„Great offer of furs recentlv shown at the Luxemburg fair. - Barkers have secured the entire collection of choice Furs from a well-known Paris designer. The stock includes Fur and Fur Coat models exhibited recently at the Luxemburg fair.“

Also aus einer ganzen Sammlung werden mit Fleiß die Stücke hervorgehoben, die die Ehre hatten, auf der Luxemburger Mustermesse zu prangen. Und das vor einem Weltstadtpublikum, das an die stärksten Reklameregister gewohnt ist!

Der Verkäufer setzt also voraus, daß die Londoner Damen den größten Wert auf Pelzmäntel legen, die schon die Luxemburgerinnen zum Kauf gereizt hatten. Er hält Zwiegespräche in der Art des folgenden für möglich: „Ei sieh da, Liebste, Sie haben ja einen brandneuen Skunk, darf man fragen ....“ - „Aber ich bitte Sie, Liebste, es ist einer von denen, die auf der Luxemburger Mustermesse ausgestellt waren.“ - „Was, Liebste, Sie auch! Die Herzogin von Devonshire trägt einen Mantel, der ebenfalls in Luxemburg ausgestellt war. Sie entschuldigen. Ich will sofort nachhaus zu meinem Mann, vielleicht gelingt es uns noch, den letzten zu ergattern.“

Sie sehen, wie die Luxemburger Mustermesse dazu angetan war, unsern Namen über den ganzen Globus zu tragen. Wie anders hätten wir es anfangen sollen, damit Luxemburg vor der Öffentlichkeit einer Millionenstadt so mit Ehren genannt würde, wie hier!

Dieser Pelzwarenonkel ist ein gerissener Geschäftsmann. Er kennt die Psychologie des kaufenden Publikums. Er weiß: Von Tausenden, die deine Anzeige lesen, wissen keine zehn, was Luxemburg ist. Es genügt, daß ich in meiner Reklame den Anschein wecken, als sei eine Messe in Luxemburg ein Weltereignis, so schnappen die Käufer ein. Wahrscheinlich denken die meisten, Luxemburg sei ein Weltstapelplatz für kostbare Pelze irgendwo in Rußland oder Kanada. Mundus vult .......

Der Mann hat recht. Kennen Sie die Geschichte von der grau gewordenen Schokolade?

Der Chef einer Welt-Schokoladefirma kam eines Tages, als er noch ein armer Anfänger war, zu seinem Prokuristen und sagte: „Wir sind pfutsch, unsere ganzen Vorräte sind grau geworden. Ich melde Konkurs an.“

„Lassen Sie mich machen,“ sagte der Prokurist. Und er ging hin und schickte an die Zeitungen folgende Annonce: „Kauft unsere Schokolade, sie ist die einzige, die beim Lagern grau wird.“

Der Prokurist wurde Compagnon, heiratete die Tochter des Prinzipals, wurde ein steinreicher Mann, und wenn er noch nicht gestorben ist, so lebt er noch heute.

Ich bin sicher, er lebt noch heute.

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KatalognummerBW-AK-010-2255