Ob man alte Schlösser restaurieren soll, ist eine Streitfrage, in die sich nicht nur Architekten, Historiker, Archäologen und Maler, sondern gelegentlich auch Politiker mischen.
Ob man die Frage mit ja oder nein beantwortet, man spricht immer eine nur relative Wahrheit aus.
Es ist immerhin besser, ein altes Schloß durch Restauration erhalten, als es ganz in sich zerfallen lassen, vorausgesetzt, daß es ein schönes Schloß ist und daß es schön restauriert wird.
Wäre es eine Sünde wider den Geist der Geschichte und Asthetik, wenn die Tuchhallen von Ypern wieder aufgebaut würden?
Was bezweckt eine Restauration? Sie soll historische Bauformen vor dem Untergang retten, soll ein Landschaftsbild unversehrt erhalten, stumme Zeugen der Vergangenheit vor dem Verfall und Verschwinden bewahren. Erfüllt die Restauration diese Zwecke, so ist ihr unbedingt das Wort zu reden.
Dazu kommt in unserer Zeit der Automobile ein Viertes: Alte Schlösser werden wieder wohnbar hergerichtet, weil sie tatsächlich wieder bewohnt werden.
Früher lagen die alten Rittersitze auf ihren einsamen Hügeln fern jeder Eisenbahn, verfielen, weil sie verlassen waren, und waren verlassen, weil ihre Besitzer, wie alle Menschen, Gesellschaftstiere waren. Was die Kriege nicht zerstört hatten, zernagte der Zahn der Zeit. Es gab seltene Ausnahmen, wie z. B. die Burg Elz, die seit neunhundert Jahren bis auf den heutigen Tag von den Grafen von Elz, wenn auch nur zeitweilig, bewohnt wurde.
Das Automobil hat den Begriff der gezwungenen Einsamkeit aufgehoben. Wer es sich leisten kann, darf heute zwanzig Kilometer weit und mehr von jeder Bahnstation oder Menschenansammlung entfernt sich ein Schloß bauen und doch jeden Tag in der Stadt sein Schälchen Schwarzen trinken, seine Partie Whist spielen, Theater, Bälle und Diners besuchen und das Idyll seiner Heimstatt genießen, wenn er dazu in Stimmung ist.
Schöner aber, als sich ein neues Schloß bauen, ist es, wenn man sich in einem alten Herrensitz heimisch machen kann. Denn die die alten Herrensitze bauten, schöpften damals aus dem Vollen, siedelten sich an den herrlichsten Punkten an, bauten ihre Häuser und Schlösser nach Gepflogenheiten und Regeln, die der Sinn für Bequemlichkeit und Solidität und Wohnkunst in langen Kulturepochen herausgebildet hatte und auf die heutzutage kostenhalber sehr oft verzichtet wird, wenn überhaupt Verständnis dafür vorhanden ist.
Charakteristisch für diese Art, schöne alte Wohnsitze zweckmäßig und geschmackvoll zu renovieren, ist z. B. Schloß Colpach und in allerjüngster Zeit, in freilich viel weiter gehendem Umfang, Schloß Hollenfels. Der junge luxemburger Architekt Herr Schönberg hat im Auftrag der Besitzer dort aus den kahlen Mauern, die in elegischer Schönheit das Mariental überragen, ein Muster von vornehmer moderner Heimstatt geschaffen. Ohne den Charakter des malerischen alten Bauwerks irgendwie zu verändern oder zu verletzen; hat er in die Ruine hinein den ganzen Komfort eines neuzeitlichen Herrensitzes hineinkomponiert, kaum daß einem vom Tal aus das neue Dach des Wohnhauses und auf dem alten viereckigen Burgfried ein spitzes Warttürmchen als Bekrönung auffällt. So herrlich sich das alte Schloß in seiner idyllischen Einsamkeit von unten darbietet, so traumhaft schön sind die Bilder, deren Anblick die Bewohner von den Fenstern und Terrassen aus genießen. Ich möchte sagen, man wird vor soviel Schönheit ein besserer Mensch. Und es ist eine Kulturtat, solche ideale Wohnstätten ihrer Bestimmung zurückzugeben.
Auch Schloß Fischbach geht unter den Händen desselben Architekten einer ähnlichen Umgestaltung im Innern entgegen.
Man kann ein armer Teufel und eingefleischter Demokrat sein und sich dennoch freuen, daß in alten Schlössern die Überlieferung geläuterter Lebensformen weiterlebt, statt daß sie von Schiebern aller Art entwürdigt werden.