Noch einmal der Trierer Schmähbrief.
In der Redaktion der „Luxemburger Zeitung“ wurde gestern das folgende Schreiben abgegeben. Da es alle Zeichen der Echtheit trägt, soll es hier Platz finden:
„Trier, 25. November 1922.
An die Redaktion der „Luxemburger Zeitung“, Luxemburg.
Zu Ihrem in der Nr. 315 veröffentlichten Artikel unter der Überschrift „Abreißkalender“ habe ich als Trierer Folgendes zu erwidern:
1) Ein Erich Wilk ist in Trier gänzlich unbekannt, er ist weder im Adreßbuch aufgeführt, noch ist er sonst zu ermitteln. Nach diesseitiger Ansicht dürfte es sich um einen Dummenjungenstreich handeln, wenn der Brief überhaupt von einem Deutschen geschrieben ist.
Zu verurteilen ist es aber, wenn solch läppisches Zeug in einer ernst zu nehmenden Zeitung veröffentlicht wird. Eine solche Veröffentlichung kann doch nur zu dem Zwecke erfolgen, um Schmutz auf die Deutschen zu werfen und Haß zu schüren.
2) Daß man in Trier den Luxemburgern von jeher nicht grün gewesen sein soll, ist mir alten Trierer Bürger, der mit vielen Luxemburgern stets recht freundschaftlichen Verkehr gepflegt hat, bisher unbekannt gewesen. Sie wollen doch etwaige Sticheleien oder Hänseleien: „Latzige Preiß“, „Jang stieh an et Reih“ usw., wie sie zwischen jungen Burschen im Wirtshausverkehr nicht nur zwischen Ländern sondern Nachbardörfern vorkommen, nicht ernst nehmen. Oder glauben Sie, die Luxemburger würden sich hier immer taktvoll benehmen, wenn sie sich vielfach auf Kosten unschuldiger hungernder Frauen und Kinder in Trier in den Cafés, Hotels usw. billig amüsieren. Weshalb ist der Deutsche fast im ganzen Auslande verhaßt geworden? Weil er dank seines Fleißes und Intelligenz hoch gekommen war und gewissen Völkern unliebsame Konkurrenz bereitete. Das Mäntelchen, was man im Ausland seinen Kriegszielen oder Kriegsgründen umhängte, ist schon arg durchsichtig geworden. (Vergleiche Amerika: Antworten Senator Hitchcott und Borah, und Ehrlichkeit der 14 Punkte Wilsons.) Ist vielleicht Luxemburg vor 1914 im Zollverein mit Deutschland schlecht gefahren? Es soll sogar viele Luxemburger und Deutsche geben, die diesen Zustand wieder herbeiwünschen. Das aber dürfte wahr sein. Bei einem Siege Deutschlands wäre der Wiederaufbau Europas vielleicht schneller erfolgt.
Daß nicht zu den „Germanen“ gehörige Völker den Deutschen nicht hold sind, ist begreiflich, aber daß außerhab des Deutschen Reiches wohnende Völker „deutschen Stammes“ jede passende und unpassende Gelegenheit benutzen, um den Deutschen eins anzuhängen, ist nicht grade nobel.
Ein Trierer, der gute Freundschaft mit Luxemburg unterhält.“
Auf die einzelnen Punkte dieses Briefes findet jeder Luxemburger von selbst die passende Antwort. Sie ist so selbstverständlich und außerdem so oft schon gegeben, daß es überflüssig wäre, sie hier zu wiederholen.
Nur in einem möchte ich dem Trierer „Freund“ recht geben: Es ist schlimmer, als taktlos, wenn wir nach Trier fahren, um billige Orgien zu feiern.
Aber die Versuchung ist so groß, nicht wahr?
Und umgekehrt würden es die Trierer nicht anders machen.