Mit dem heutigen Tage tritt der großartige Neubau der „Arbed“ aus der Phasis des Werdens offiziell in den Stand der Vollendung über.
Das Ereignis fordert zu einigen Betrachtungen allgemeiner Art heraus.
Dieser Palast nationaler Arbeit - Arbeit der Hände und des Geistes - hat den Wert eines Symbols nach Wesen und Form.
Sein Entstehen ist in doppeltem Betracht belangreich. für Stadt und Land, wirtschaftlich und ästhetisch.
Die „Arbed“ ist heute das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie ist in stetiger, umsichtiger Entwicklung zu einem gewaltigen Organismus emporgewachsen, dem seine Leiter bis heute einen vorwiegend nationalluxemburgischen Charakter zu wahren wußten.
Das hat mehr als Gemütswert und ideelle Bedeutung. Es ist ein Beweis dafür, daß wir als selbständiges Ganze uns zu führen wußten, daß die Vertreter so umfangreicher Interessen keine Veranlassung fanden, ihr wirtschaftliches Aushängeschild von unserm politischen zu desolidarisieren. Es ist für unser Ansehen da draußen von Bedentung, daß der Name Luxemburg sich mit einem Werk verknüpft, das den Ruf unbezweifelbarer Solidität genießt. Und man darf sich Glück dazu wünschen, daß über allerhand engbrüstige Parteinörgler hinweg sich die Erkenntnis dieser Tatsache nun auch innerhalb unserer Grenzen durchsetzt.
Daß das Festhalten der „Arbed“ an ihrem luxemburgischen Taufschein sich für uns als positiven Vorteil ergibt, ist an der Zahl der bei ihr angestellten Luxemburger leicht abzuzählen.
Für die Hauptstadt besonders bedeutet die Zentralisierung einer so ausgedehnten Verwaltung in diesem Neubau viel mehr, als sich auf den ersten Blick erkennen läßt. Man erinnert sich, wie kurz vor dem Krieg ein ähnliches Zusammenziehen der Zentralbüros der lothringischen Werke in Diedenhofen eingeleitet war und welch gewaltigen Aufschwung sich die Stadt davon versprach. Dasselbe darf Luxemburg von der zentripetalen Bewegung erwarten, die im Neubau der „Arbed“ sich am stärksten und repräsentativsten ausgewirkt hat.
Freilich erwachsen der Stadt aus dieser Niveau- steigerung Pflichten, und dem fortschrittlichen Sinn der derzeitigen Verwaltung ist zuzutrauen, daß sie ihnen vollauf gerecht werden will. In erster Linie gehört dazu die straffe Handhabung einer Baupolizei, die nicht nur auf Sicherheit und Bequemlichkeit der Bürger, sondern auch auf die Forderungen der Ästhetik Rücksicht nimmt.
Es ist in dieser Richtung als ein Glück zu betrachten, daß an der Hauptstraße Luxemburgs, derjenigen, die dem Fremden die ersten - guten oder übeln - Eindrücke von unserer Haupt- und Residenzstadt vermittelt, dieser Neubau der „Arbed“ als eine eindrucksvolle Mahnung zur Wahrung von Schönheit und Vornehmheit im Straßenbild steht. Er gibt sozusagen das A im Konzert an. Er prägt unserm schönsten Straßenzug - das soll er wenigstens werden - den Charakter ruhigen, selbstsicheren und selbstverständlichen Adels auf. Er ist großstädtisch in seinem Maximum von Stilvornehmheit und geschmackvollem Reichtum der Formengebung, fern von billigem Amerikanismus und vorlauter Zweckstrebigkeit. Er ist ein sieghafter Protest gegen das nervöse Suchen nach Formen, die nach zehn Jahren als warnendes Beispiel, wie es nicht gemacht werden soll, als häßliche Durchgangsscheusäler am Wege stehen bleiben. Er greift auf Schönheitswerte zurück, die sich in ihrer ruhigen Sicherheit durch Jahrhunderte bewährt und sinnbildliche Kraft gewonnen haben.
Wer vor diesem harmonischen neuen Bauwerk sieht, wer z. B im Binnenhof das wunderbare architektonische Bild, das sich aus dem Zusammenklang aller Linien und Formen ergibt, auf sich wirken läßt, wird als Luxemburger stolz sein in dem Gedanken, daß dies Haus den Jahrhunderten trotzen muß und daß es über tausend Jahre dastehen wird mit der glorreichen Patina der Zeit, als Zeuge dessen, was unser Geschlecht, trotz seiner verrufenen Busineß-Psyche, für Höheres übrig hatte.