Herr Dr. Ernst Platz, «chargé de cours» am hiesigen Athenäum, hatte die Liebenswürdigkeit, mir die Doktorthesis zu schicken, mit der er sich kürzlich an der Universität-Freiburg in der Schweiz habilitiert hat.
Sie trägt den Titel: «Balai», Etude de géographie linguistique et de sémantique. - und ist dem „verehrten Meister M. Giulio Bertoni“ gewidmet und in Florenz gedruckt.
Eine Arbeit von einem Luxemburger in der Schweiz verfaßt, in Italien gedruckt - sind wir nicht international!
Die Sprachengeographie und die Semantik sind aufregend interessante Wissenschaften, aber von den zirka 225 000 Luxemburgern, die unser Land bevölkern, dürften kaum mehr als zwei bis fünf - Herrn Dr. Platz eingerechnet - davon mehr als den Namen kennen (wenn sie überhaupt den Namen kennen).
Und doch kann sich auch der Laie bei der Lektüre der Doktorthests des Herrn Platz überzeugen, daß diese Wissenschaften heute einige der Hauptkanäle bilden, durch die wir den Geheimnissen der Geschichte beikommen. Es ist daher angezeigt, daß ihnen an unsern Lehranstalten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde, als bisher. Und da entsteht dann die verfängliche Frage, von wem Herr Dr. Platz sich in Sprachengeographie und Semantik soll prüfen lassen, nachdem feststeht, daß er darüber mehr weiß, als alle derzeitigen Doctores phil., die nach altluxemburgischem Rezept gebacken sind.
Wäre es somit nicht endlich an der Zeit, mit der Eigensabrikation unserer Doctoren aller Fakultäten Schluß zu machen und sie fixfertig von draußen zu beziehen, wo einige Gewähr für solide und gründliche fachmännische Arbeit besteht?
Herr Dr. Platz durchforscht also ganze Haufen von Sprachschutt nach dem Pedigree des Wortes „Besen“.
Sie werden sagen, das sei Ihnen vollständig egal, wo das Wort Besen und wo überhaupt alle Wörter sämtlicher Sprachen herkommen, wofern die Sache da ist.
Allerdings hat es auf die Güte eines Besens keinen Einfluß, ob der Besenbinder die Ethymologie, die Semantik, die linguistisch geographische Einordnung des Wortes kennt, so wenig die Qualität einer Schüssel Kochkäse dadurch bedingt wird, daß die Bäurin, die den trocknen Quarck zum „Fengen“ unter ihr Federbett stopft, eine Ahnung von den ähnlichen und ähnlich benannten Käsesorten hat, die in Südfrankreich und in Spanien hergestellt werden.
Aber es ist nun einmal so, daß sich der Menschengeist ebenso stark und manchmal stärker für immaterielle oder sonstwie scheinbar überflüssige Zusammenhänge zwischen den Erscheinungen interessiert, als für die Materialität der gegenwärtigen Erscheinungen selbst.
Herr Dr. Platz schildert mit einem unheimlichen Aufgebot von Fachgelehrsamkeit den Kampf, den das Wort «balai» gegen andere Wörter und gegen die Bezeichnung von allerhand Material, aus dem Besen hergestellt werden, zu führen hatte, um sich im Sprachgebrauch definitiv durchzusetzen.
Das mag auf Anhieb müßig und fastidios, spielerisch und zwecklos erscheinen. Demjenigen aber, der sich für die Vergangenheit interessiert, für das Nach- und Neben- und Durcheinander der Völker und Rassen und Kulturherde, dem wird vor solcher Benediktinerarbeit diese Vergangenheit lebendig, wie ein Stück gefilmter Geschichte.
Man braucht demnach nicht Fachmann zu sein, nur allgemein kulturell interessiert, um Herrn Dr. Platz zu seinem speziellen Fachgebiet und zu seiner Arbeit Glück zu wünschen - ihm und uns.