Mein Freund Grimberger, Nörgler, war wieder einmal in Bärbeißerlaune. Als ich auf die Weihnachtsfeiertage anspielte, explodierte er:
„Jawohl! Stille Nacht, heilige Nacht! Billigste Gefühlspomade. Jedes Eurer Feste hat so sein Zitat. Christ ist erstanden! Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen! Ihr spritzt gleich los mit Dichtersprüchen, um das ganze Fest mit süßer Stimmung zu vergasen.“
„Aber Herr Grimberger, wie können Sie nur den kosmischen Reiz dieser Feste verkennen! Wir schwingen als bewußte, lebendige Schöpfung doch nur mit im Kreise der Gestirne, freuen uns und trauern im Einfühlen in die Naturstimmung, die durch die Sonnen-Nähe oder Ferne erzeugt wird.“
„Lassen Sie mich aus mit Ihrer Natur! Julfest, Weihnacht, Sonnenwende! Ich danke für Backobst! Grade, wenn sich die Sonne uns wieder zuwendet, kommt der Winter gegangen und die Kohlenhändler benützen die Gelegenheit, wieder ein paar Franken auf den Doppelzentner draufzuschlagen. Soll ich Ihnen sagen, was mir Weihnachten immer bedeutet hat? Kalte Füße und ein Tröpfchen an der Nasenspitze. Wenn ich nur „Stille Nacht“ höre, oder „Es ist ein Reis entsprungen“, und wäre es mitten in den Hundstagen, so friere ich an den Zehen und meine Nasenspitze rötet sich ganz von selbst.“
„Aber Herr Grimberger, sagt Ihnen die Bedeutung des Festes denn gar nichts? Das Kindlein im Stall zu Bethlehem, die Menschheit erlöst durch die Gottheit, die sich arm und klein und schwach gemacht hat!“
„Erlöst! Von was erlöst? Wenn schon, dann hätte er die Menschen von sich selbst erlösen sollen. Oder sie gar nicht erst erschaffen. Was ist denn das für eine Logik: Erst den Menschen mit der Erbsünde im Leib erschaffen und dann damit dicke tun, daß man ihn davon erlöst! Und der Stall und die biblischen Tiere, die für die nötige Heizung sorgten: Was hat das Christentum daraus gemacht? Ein Stall ist immer noch ein Stall, in dem kein König und nicht einmal ein Bettler wohnen möchte, und ein Ochs und ein Esel sind immer noch als die dümmsten Tiere verschrieen. Sehen Sie dagegen, wie z. B. die Russen das Czar-Peter-Häuschen in Zaandam, und wie die alten Ägypter die Respektspersonen unter den Tieren zu ehren wußten. Undank - wenn Sie die Signatur des Christentums haben wollen, da ist sie: Undank!“
„Na na, Herr Grimberger, Sie schwadronieren. Das Christentum hat doch sein Gutes gehabt.“
„Ich antworte Ihnen nicht mehr, ich müßte persönlich werden gegen den lieben Herrgott.“
„Aber die Weihnachtsfreude, die müssen Sie uns doch lassen!“
„Was Sie so nennen wollen. Diese Weihnachtsfreude ist der größte Bluff im europäischen Sprachgebrauch. Ihr sprecht Marzipan und Schokoladepralinés und Ihr meint verdorbene Mägen. Denn darauf kommt es schließlich hinaus. Und die berühmten Weihnachtsgeschenke, Freudentränen in Kinderaugen, puppernde Kinderherzen, rührende Weihnachtsnovellen usw. Ich wüßte nicht ‚wann ich je in meinem Leben größere Enttäuschungen erlebt hätte, als jedes Jahr am Bescherabend. Wenn ich mir ein Fahrrad wünschte, bekam ich eine neue Schulmappe, statt Schokolade schenkten sie mir Lebkuchen, den ich nicht ausstehen kann, statt einer Meerschaumpfeife ein Dutzend Taschentücher mit Monogramm. Es ist doch viel einfacher und billiger, ich kaufe mir von meinem Geld, was ich mir wünsche.“
„Gewiß, Herr Grimberger. Es ist ja auch viel einfacher und billiger, Sie geben sich, wenn Sie verliebt sind, selbst einen Kuß und krauen sich selbst am Kopf, wenn Sie etwas für’s Gemüt haben müssen.:
„Dummes Zeug!“ knurrte er zornig. „Ich bin nie verliebt, und ich pfeif’ Ihnen auf Ihr Gemüt!“
Er hat mir schließlich versprochen, sich auf ein Stückchen Weihnachtsgans einzufinden, trotzdem er behauptet, Gans sei der unverdaulichsts und unvorteilhafteste Braten, den es gebe.