Original

30. Dezember 1922

Das kommende Jahr bringt uns die Dicks-Jahrhundertfeier. Im nächsten Juli werden es hundert Jahre, daß am „Knuediergart“ in seinem Elternhaus der Dichter der „Mumm Se’ß“ und der Dichter des luxemburger Volks als Sohn des damaligen Gouverneurs de la Fontaine geboren wurde.

Der Sohn des Höchsten im Land hat wie kein andrer den Ton des niederen Volks getroffen. Nie hat er die Lust verspürt, seine eigenen Kreise dicktuerisch in Szene zu setzen, seine Muse war nur heimisch inmitten der Kleinen, der Schlichten, der Vorstadtbürger, Handwerker; und wenn einmal jemand Vornehmes in dieser Welt zu Wort kommt, dann macht er immer eine komische Figur.

Die Feier seines hundertjährigen Geburtstages wird sich. das ist schon heute wahrzunehmen, zu einer Angelegenheit mit nationalem Charakter auswachsen, weil er wie kein andrer in seiner Person und seinen Werken den luxemburger Nationalcharakter verkörpert hat.

Die vor ihm in unsrer Mundart gedichtet hatten, waren dem Herzen des Volks nicht nahe gekommen. Die Meyer und Diedenhoven hatten den Volkston nicht getroffen. Ihre Ironie, ihr Humor waren zu partikularistisch, ihre Erotik zu sehr Buch-Erotik gewesen. Dicks hat dem Begriff „Freier und Freiesch“ erst richtig Bürgerrecht in der heimischen Dichtung verschafft. Er hatte Gefühl ohne Sentimentalität, weil seine Erotik Kinderstube hatte und weil er im Grund eine durchaus posttiv veranlagte Natur war. Auch darin war er ein typischer Luxemburger.

Dieser Demokrat und Dichter, der sich aristokratischer Durchtrainierung erfreute, schrieb seine Heimatsprache so, daß sie in jeder Zeile für sein Wesen Zeugnis ablegte. Gewiß, er hat auf bescheidenem Niveau und in bescheidenen Grenzen als Dichter und Dramatiker gewirkt, aber seine Art könnte den Besten als Muster dienen. Er hielt sich stets vor, daß er nicht für sich, sondern für die Vielen schrieb, die ihn lesen und hören sollten. Und er besorgte seinen Stil, wie ein großer Komponist seine Partitur. Er schreibt kein Wort hin, das im Organismus des Satzes nicht einen Zweck erfüllt. Und immer sucht er nach dem Wort, das am stärksten, prägnantesten sagt, was er sagen will. Sein Stil ist nicht Malerei und nicht Skulptur, er ist Architektur. Jede seiner Repliken ist ein Sprachdenkmal, jeder Satz ein Paradigma.

Und auch darin wieder ist Dicks für unsere heimische Art repräsentativ. Denn ihr entspricht die Kürze und die Sachlichkeit, für den Rest haben wir das malerische Wort „Gebraddels“.

Von welcher Seite man ihn betrachten mag, immer steht er da als einer, der im Tiefsten und Höchsten der Unsrige war und dessen Andenken zu feiern wir miteinander glücklich sein werden.

Wo man hinhört, macht sich die Bereitwilligkeit bemerkbar, das Fest zu einer Nationalfeier zu gestalten. Verschiedene Ansätze zu Einzelorganisationen sind schon vorhanden. Es versteht sich hoffentlich von selbst, daß sie alle in einer Zentralstelle zusammengefaßt werden, die jeder ihr Wirkungsfeld und ihren Platz anweisen muß. Es ist dazu bereits eine Anregung vorhanden, die für die ganze Veranstaltung die breiteste und würdigste Grundlage vorsieht, auf der sich jeder gute Wille wird betätigen können.

Wenn sich je unter einem Namen alle Luxemburger wie unter einem nationalen Wahlspruch zu einer gemeinsamen Kundgebung einigen konnten, so ist es der Name Dicks. Hoffen und wünschen wir, daß in seinem Zeichen dies Zusammenwirken am hundertsten Jahrestag seiner Geburt zur Tatsache werden wird.

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  • literature: on Dicks theatre
KatalognummerBW-AK-010-2302