Es gibt Menschen und Dinge, die von aller Welt verschrieen sind und das Gegenteil verdienten.
Solch ein Ding ist das Pech.
Es ist uns ein Sinnbild des Unglücks. Nicht des vornehmen Unglücks, wenn ich so sagen darf, des Mißgeschicks, das einem das Beileid der ganzen Gemeinde sichert, der Tragik, vor der sich die Häupter entblößen und von der sich die Dichter inspiriert fühlen. Sondern der Widerwärtigkeit, die einen lächerlichen Einschlag hat. Tod kann Unglück und er kann Pech sein. Stirbt Ihnen ein Liebes, so bedauert Sie jedermann aufrichtig: Es ist ein Unglück. Stirbt Ihnen eine Erbtante, nachdem ihr Papagei durch Ihre Schuld eingegangen ist und sie deshalb ihr Testament auf die andere Linie umgeschrieben hat, so ist das Pech.
Mit dem Pech verbinden wir auch die Vorstellung einer körperlichen Verunreinigung. Wer Pech anrührt, besudelt sich.
Das ist nicht wahr. Und es besteht auch kein Grund dafür, das Pech als Sinnbild irgend eines Unglücks auszurufen.
Wer Pech anrührt, besudelt sich nämlich gar nicht, und wer das Gegenteil behauptet, hat nie richtiges Pech gesehen.
Frisch bereitetes Pech ist schön und sauber, wie Seide. Ich wurde einmal ausgelacht, als ich behauptete, ein junges Mädchen, das sich in der Gesellschaft befand, habe Haare wie frisches Pech. Ich bleibe dabei. Eben noch war ich in einer Schusterwerkstatt, wo der Meister damit beschäftigt war, einen neuen Pechvorrat zu bereiten.
„Wenn wir kein Pech haben, sind wir aufgeschmissen,“ sagte er. Dabei schwang er mit wringender Gebärde eine armdicke Pechsträhne auf und ab. Sie war von einem leuchtenden Hellblond, fing alles Licht aus dem Raum auf und spiegelte es eifrig wieder. Dieses farbig fließende, gleißende Licht war eine Liebkosung für die Augen, es war eine jener Erscheinungen, die in ihrer sanften, lockenden Bewegtheit die Blicke und die Hände auf sich ziehen, als müsse es ein Genuß sein, sie zu berühren.
Liebevoll wand und knetete und zog der Meister die blinkende Masse zu langen Strähnen auseinander, legte sie wieder zusammen, gab ein wenig Öl hinzu, erzählte, wie das echte Pech aus bestem Harz bestehe - demselben, aus dem der hochangesehene, feierliche Weihrauch gewonnen wird -, wie es verarbeitet werden müsse, bis es im kalten Wasser schwimmt und wie die ganze Schusterei auf das Pech angewiesen sei. Liebevoll hingen seine Blicke an der blonden Masse, die wie gesponnenes Glas schimmerte. Und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, das Pech zu berühren, wie ich einmal als kleiner Junge die blonden Zöpfe eines fremden jungen Mädchens berührte, mit dem ich zusammen aus dem Eisenbahnfenster hinaussah.
Aber so geht es: Die Welt kennt nur das schwarze, mit Teer versetzte Pech, von dem der Biertrinker zuweilen unappetitliche Reste in seinem Glas entdeckt. Das schöne, frische, blonde, leuchtende Pech, durch das schon Hans Sachs seinen Draht gezogen hat, geht als unbekannte und verkannte Schönheit durch die Welt.
Merke: Wenn Du von jemand Übles börst, so glaube es nicht aufs Wort. Geh in die Schusterwerkstatt und sieh Dir das echte Pech an, ehe Du glaubst, daß Du Dich daran besudeln kannst.