Original

9. Januar 1923

Dr. Adolf Bach, Wiesbaden, veröffentlicht in Schmollers Jahrbuch, Bd. 56 (1922) Heft 3/4 eine interessante Studie über den „Kampf gegen die deutschen Spielbanken des 19. Jahrhunderts“. Die als Separatabdruck erschienene Schrift hat für uns besondern Wert wegen der Streitfrage, ob BadMondorf mit Hilfe einer Spielbank oder wie sonst aus dem Marasmus gezogen werden soll. In diesem Zusammenhang interessiert zumal das Kapitel: „Die Lösung der Spielbankfrage“, das über die Mittel handelt, mit denen von den deutschen Badeorten nach Aufhebung der Spielbanken der Ruin abgewendet wurde.

Dr. Bach schreibt u. a.:

„Die Entwicklung der Badeorte fällt im wesentlichen mit dem Aufschwung der Banken zusammen; damit soll nicht gesagt sein, daß die Blüte jener allein durch diese erzeugt worden ist, wohl aber, daß einige Bäder einzig und allein der Bank ihr Gedeihen verdanken (Baden-Baden und Homburg), daß andere (etwa Wiesbaden) ganz wesentlich von der Bank gefördert worden sind. Die Besucherzahl mußte gehoben, zahlungsfähige Gäste herbeigelockt und unterhalten werden - das verlangte das Gedeihen der Bank und das der Gemeinden. Lange Jahre gingen diese beiden Interessen nebeneinander her: die Bank kam fast für alles, was zur Unterhaltung der Gäste nötig war, auf, und die Gemeinden sonnten und vergrößerten sich in den Zuständen, die die Bank geschaffen hatte. - Nun sollten auf einmal die Banken zu bestehen aufhören; woher sollten nun die Mittel genommen werden, die die Bank bisher ausgeworfen hatte? Die Gemeinden vermochten nicht viel zu geben, denn sie hatten sich in der Hoffnung auf weiteren Aufschwung des Kurlebens meist in bedeutende Unkosten gestürzt. Nun wird aller Luxus aus den Badeorten verschwinden, klagte man, nun wird ihnen die elegante Welt den Rücken kehren und Städte aufsuchen, wo ihren Ansprüchen Rechnung getragen wird. Dann aber wird für die Geschäftsleute, die Zimmervermieter, die Gastwirte, für alle Gewerbe, die von ihnen abhängig sind, die schwere Not kommen; sie werden nicht aufkommen können für die Schulden, in die sie sich in der Annahme des Fortbestehens der Spiele und der Blüte des Kurorts gestürzt haben, und dem Ruin unrettbar anheimgegeben sein.

„Das war der Gedankengang der besonneneren Elemente unter den Spielgegnern, vorsorgender Regierungen und der um ihre Zukunft besorgten Einwohner der Badeplätze.“

Der Verfasser macht dann zahlenmäßige Angaben über die direkten und indirekten Vorteile, die u. a. der Stadt Wiesbaden durch die Spielbank erwuchsen und die nach deren Aufhebung verschwanden.

„Dieser verhängnisvollen Lage der Spielbäder war sich die preußische Regierung durchaus bewußt. Sie suchte ihr dadurch Rechnung zu tragen, daß sie die Banken noch eine Zeitlang bestehen, inzwischen jedoch durch die Banken selbst Mittel ansammeln ließ, aus denen später die ausfallenden Zuschüsse der Bank zum Kurbetrieb ersetzt werden sollten. Sie spann so nur einen Gedanken weiter, den man schon früher in Baden, Nassau und Homburg zu verwirklichen gesucht, indem man Schritte zur Bildung von sogenannten „Reservefonds“ unternommen hatte, denn in jenen Staaten rechnete man stets im stillen mit einer unter dem Druck äußerer Gewalten erzwungenen Aufhebung der Spiele und suchte daher durch rechtzeitige Bereitstellung hinlänglicher Mittel, die Fremdenindustrie von der Unterstützung der Banken allmählich unabhängig zu machen. Allerdings war seither tatsächlich noch nicht viel geschehen: In Wiesbaden noch gar nichts, weil der Stadt durch sanitäre Anlagen übergroße Kosten erwachsen waren. In Homburg dagegen hatte man von 1862-66 bereits 80 000 fl., in Baden bis 1866 sogar schon 1 400 000 fl. ansammeln können. ...........

„Das Verfahren der Regierung hatte den gewünschten Erfolg: Der vom 1. Januar 1868 bis zum 31. Dezember 1872 für Wiesbaden und Ems gesammelte „Kurfonds“, dessen Bildung im Frühjahr 1868 mit den Banken vertragsmäßig geregelt wurde, belief sich auf drei Millionen, die unter Wiesbaden und Ems im Verhältnis von 2:1 verteilt wurden. Der Wiesbadener Anteil ging nach Schließung der Banken über in die Verwaltung der Stadt Wiesbaden, während der Emser Anteil bei der Regierungshauptkasse in Wiesbaden verblieb und seine Zinsen durch die neugebildete Emser „Kurkommission“ im Interesse des Bades verwandt wurden. ..........

„Ließen sich aus den Summen, die auf diese Weise an die Bäder kamen, auch die Kosten des Kurbetriebs nicht vollkommen bestreiten, so fand man hier bald Wege, sich neue Einnahmequellen zu öffnen, vor allem durch die Einführung der Kurtaxe, an die man sich trotz der zunächst geäußerten prinzipiellen und praktischen Bedenken im Publikum bald gewöhnte.

„So war die Zukunft der Spielbäder gesichert. Wenn auch die Besuchsziffer durch die Aufhebung der Banken stark gedrückt wurde [am stärksten in Homburg, wo sie von 21 000 (1872) auf 9287 (1873) siel], so ist dieser Rückgang der Bäder zu Aufang der 70er Jahre doch nicht allein auf die Beseitigung der Spiele zurückzuführen, auch die vermehrte Konkurrenz, besonders die der Seebäder, und andere Gründe sprechen hier mit. Die Besuchsziffer der hessen-nassauischen Bäder stieg nach der Schließung der Banken erst wieder zu Anfang der 1890er Jahre.“

Moral: Wenn man in Bad-Mondorf die Spiele nicht einführen will, muß man für das Staatsbad unbedingt Mittel bereit stellen und Einnahmequellen schaffen, die wenigstens einigermaßen darnach aussehen, als ob man Wert darauf legte, seine Zukunft zu sichern, wie dazumal die preußische Regierung die Zukunft ihrer Bäder gesichert hat.

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